Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Märchen
RAU
„Du, ich hab‘ was für Dich, schließe einfach mal die Augen und lass Dich an der Hand nehmen. Hab‘ keine Angst, vertraue mir und lass Dich fallen, es wird nichts Schlimmes passieren, das verspreche ich Dir. Nur zu, du kannst mir glauben, ich will dir nichts Böses, ganz im Gegenteil. Ich weiß, das bist du nicht gewohnt, hast sonst immer alles im Griff, hältst tapfer die Zügel in der Hand, bist stolz darauf und wirst deshalb im Job gut bezahlt und bald befördert, zuhause gelobt und geliebt. Auf dich ist Verlass, und das ist gut so.
Aber nun lehn‘ dich zurück. Spürst du die Leichtigkeit, die dich auf einmal umhüllt wie samtweiches Wasser? Schließe ruhig die Augen und lass‘ Dich treiben. Das Leben ist hart genug und wahrlich kein Pappenstiel, immer auf Empfang von morgens bis abends und nachts im Schlaf treibt es dich auch oft genug um. War da nicht neulich sogar dieser schreckliche Alptraum, in dem jemand versucht hat, dich mit dem Kissen zu ersticken und du schweißgebadet aufgewacht bist? Oder davor die Woche, als dir eine Ehemalige wieder näher kam, dir die Wäsche vom Leib riss und dich in lange nicht mehr gewohnte Leidenschaften zog?
Doch nun bin ich für dich da und will dir nur Gutes. Ich weiß, dass du das schon lange nicht mehr gewohnt bist und deshalb etwas argwöhnisch bist. Lass dich drauf ein, einfach so. Du hast es verdient. Willst ja noch etliche Jährchen in deinem Tempo weitermachen und musst es wohl auch. Familie, Hypothek, Ansprüche. Da sagt man nicht einfach, nein danke, ich steige aus. Ganz im Gegenteil, der nächste Bonus will verdient werden, die Beförderung soll auch klappen, dafür machst du schon mal Überstunden und Dinge, die dir nicht unbedingt liegen und auch moralisch ziemlich querliegen.
Aber nun streck' dich einfach aus, spüre deinen Körper. Wie leicht er sich anfühlt in dem warmen Wasser, gleich wartet noch eine vierhändige Massage mit wohlduftendem Öl auf dich. Und ein leckeres, leichtes Mahl. Du glaubst, du träumst? Oder alles ist nur ein Märchen? Wer weiß? Lass dich einfach drauf ein.
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RAU
„Du, ich hab‘ was für Dich, schließe einfach mal die Augen und lass Dich an der Hand nehmen. Hab‘ keine Angst, vertraue mir und lass Dich fallen, es wird nichts Schlimmes passieren, das verspreche ich Dir. Nur zu, du kannst mir glauben, ich will dir nichts Böses, ganz im Gegenteil. Ich weiß, das bist du nicht gewohnt, hast sonst immer alles im Griff, hältst tapfer die Zügel in der Hand, bist stolz darauf und wirst deshalb im Job gut bezahlt und bald befördert, zuhause gelobt und geliebt. Auf dich ist Verlass, und das ist gut so.
Aber nun lehn‘ dich zurück. Spürst du die Leichtigkeit, die dich auf einmal umhüllt wie samtweiches Wasser? Schließe ruhig die Augen und lass‘ Dich treiben. Das Leben ist hart genug und wahrlich kein Pappenstiel, immer auf Empfang von morgens bis abends und nachts im Schlaf treibt es dich auch oft genug um. War da nicht neulich sogar dieser schreckliche Alptraum, in dem jemand versucht hat, dich mit dem Kissen zu ersticken und du schweißgebadet aufgewacht bist? Oder davor die Woche, als dir eine Ehemalige wieder näher kam, dir die Wäsche vom Leib riss und dich in lange nicht mehr gewohnte Leidenschaften zog?
Doch nun bin ich für dich da und will dir nur Gutes. Ich weiß, dass du das schon lange nicht mehr gewohnt bist und deshalb etwas argwöhnisch bist. Lass dich drauf ein, einfach so. Du hast es verdient. Willst ja noch etliche Jährchen in deinem Tempo weitermachen und musst es wohl auch. Familie, Hypothek, Ansprüche. Da sagt man nicht einfach, nein danke, ich steige aus. Ganz im Gegenteil, der nächste Bonus will verdient werden, die Beförderung soll auch klappen, dafür machst du schon mal Überstunden und Dinge, die dir nicht unbedingt liegen und auch moralisch ziemlich querliegen.
Aber nun streck' dich einfach aus, spüre deinen Körper. Wie leicht er sich anfühlt in dem warmen Wasser, gleich wartet noch eine vierhändige Massage mit wohlduftendem Öl auf dich. Und ein leckeres, leichtes Mahl. Du glaubst, du träumst? Oder alles ist nur ein Märchen? Wer weiß? Lass dich einfach drauf ein.