Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Kühlschrank
WIE
Der Inhalt von Kühlschränken kann durchaus die Lebenslage eines Menschen widerspiegeln, lässt sich doch der Zustand eines Privatlebens daran gut ablesen. Darum spielen Kühlschränke selbst in der Welt des Films eine ernst zu nehmende Rolle.
So demonstriert der nahezu leere Kühlschrank eines Kriminalkommissars, wie sehr er seinem Beruf verpflichtet ist, wie eigene Gesundheit und stilvoller Genuss zu kurz kommen, weil es nur für ein Feierabendbier reicht. Aber auch der Blick in den Kühlschrank eines Verdächtigen kann Rückschlüsse in verräterische Details gewähren.
Insofern ist das Interesse großer digitalen Plattformen verständlich, in Zukunft über smart-vernetzte Kühlschränke mehr über deren Benutzer zu erfahren und so Rückschlüsse auf die gesamte Persönlichkeit machen zu können.
Bevor es jetzt aber um eine Klassifizierung unterschiedlicher Benutzertypen geht, lässt sich auch die Frage stellen, ob Kühlschränke nicht insgesamt wichtige Einblicke in menschliche Begierden bieten. Zumindest gilt das für wohlhabende, weitgehend sorgenfreie Gesellschaften, wo mehr als nur das Nötigste im Kühlschrank zu finden ist.
Beginnt man mit der Betrachtung ganz hinten, stößt man auf die Produkte, die schon lange, mehr oder weniger als Dauergast im Kühlschrank hausen ohne schlecht zu werden. Wie zum Beispiel Worcestersoße, Sesampaste, Kapern, grüner Pfeffer, Tomaten in Öl, Sambal-Oelek, Sahnemeerrettich, Birnenkraut.
Zutaten, die für einzelne Rezepte einmal gebraucht wurden, deren Anschaffung in gut sortierten Lebensmittelläden kein Problem ist, die Abschaffung aber schon eher. Solange das Haltbarkeitsdatum noch im Bereich des Vertretbaren ist, will man sie nicht wegschmeißen. Gleichzeitig verringert sich die Bereitschaft, sie zu verbrauchen, wenn eine muffelige Geschmacksnote bereits da, die typische Farbnote aber schon verschwunden ist, also nicht mehr das Gefühl einer Delikatesse aufkommt.
Ähnlich unkalkulierbar sind einige Produkte im Gemüsefach. Die wurden zwar mit der Absicht gekauft, mehr Frisches und Rohkost statt Fertigware zu essen, wenn aber Endiviensalate, Blattpetersilie oder Brokkoli sehr groß sind, bleiben sie zwar grundsätzlich gesund, aber gilt das auch, wenn Teile davon bereits gelb und matschig sind?
Und wie sieht es mit den nützlichen, unentbehrlichen Basisprodukten aus? Butter, Milch, Käse, Quark, Wurstaufschnitt etc.? Hier stellt sich die Frage, ob die Verbrauchsmengen mit den Vorratsmengen einigermaßen übereinstimmen. Das ist nur dann der Fall, wenn keine Überraschungen dazwischen kommen, wie spontaner Besuch aus der Familie oder eine Magenverstimmung. Oder andere Schreckensnachrichten aus den Medien, die liebgewonnene Gewohnheiten vergraulen. Weil bestimmte Produkte zum Krebserreger werden, viel zu viele Mikropartikel enthalten, vor allem aber Allergieerreger sind. Schlagartig dümpeln von da an entsprechende Produkte vor sich. Bis sich die Horrornachrichten aus dem Kopf wieder verzogen haben und alte Gewohnheiten zurückkehren dürfen dauert es oft Wochen.
Genauso wie bei guten Vorsätzen. Zum Beispiel der Absicht, von heute weniger Alkohol zu trinken. Haben sich derartige Einsichten irgendwann doch wieder verflüchtigt, ist die halbe Flasche Weißwein bereits Essig.
Auch können kurzfristige Gesundheitsempfehlungen und entsprechende Produkte den Kühlschrank versperren. Dazu zählen Algenpräparate, Kräutersäfte oder andere Kraftmischungen, die in entsprechend großen Mengen eingekauft wurden, um nicht nur sich, sondern auch die eigene Überzeugung zu stärken.
Die Haltbarkeit solcher Erkenntnisse wird gerne überschätzt. Jede Gesundheitsüberzeugung lässt sich durch Neuere und Bessere ersetzen, bevor die alten XXL-Packungen aufgebraucht wurden.
Über die Wirren, Hoffnungen und Träume moderner Menschen in der Wohlstandsgesellschaft gibt der Kühlschrank jedenfalls mehr Auskunft als so manche soziologische Befragung. Statt sich auf vorbildliche und beliebte Aussagen von Verbrauchern zu verlassen, sollte man lieber im Kühlschrank der kalten Wahrheit ins Gesicht schauen.
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Kühlschrank
WIE
Der Inhalt von Kühlschränken kann durchaus die Lebenslage eines Menschen widerspiegeln, lässt sich doch der Zustand eines Privatlebens daran gut ablesen. Darum spielen Kühlschränke selbst in der Welt des Films eine ernst zu nehmende Rolle.
So demonstriert der nahezu leere Kühlschrank eines Kriminalkommissars, wie sehr er seinem Beruf verpflichtet ist, wie eigene Gesundheit und stilvoller Genuss zu kurz kommen, weil es nur für ein Feierabendbier reicht. Aber auch der Blick in den Kühlschrank eines Verdächtigen kann Rückschlüsse in verräterische Details gewähren.
Insofern ist das Interesse großer digitalen Plattformen verständlich, in Zukunft über smart-vernetzte Kühlschränke mehr über deren Benutzer zu erfahren und so Rückschlüsse auf die gesamte Persönlichkeit machen zu können.
Bevor es jetzt aber um eine Klassifizierung unterschiedlicher Benutzertypen geht, lässt sich auch die Frage stellen, ob Kühlschränke nicht insgesamt wichtige Einblicke in menschliche Begierden bieten. Zumindest gilt das für wohlhabende, weitgehend sorgenfreie Gesellschaften, wo mehr als nur das Nötigste im Kühlschrank zu finden ist.
Beginnt man mit der Betrachtung ganz hinten, stößt man auf die Produkte, die schon lange, mehr oder weniger als Dauergast im Kühlschrank hausen ohne schlecht zu werden. Wie zum Beispiel Worcestersoße, Sesampaste, Kapern, grüner Pfeffer, Tomaten in Öl, Sambal-Oelek, Sahnemeerrettich, Birnenkraut.
Zutaten, die für einzelne Rezepte einmal gebraucht wurden, deren Anschaffung in gut sortierten Lebensmittelläden kein Problem ist, die Abschaffung aber schon eher. Solange das Haltbarkeitsdatum noch im Bereich des Vertretbaren ist, will man sie nicht wegschmeißen. Gleichzeitig verringert sich die Bereitschaft, sie zu verbrauchen, wenn eine muffelige Geschmacksnote bereits da, die typische Farbnote aber schon verschwunden ist, also nicht mehr das Gefühl einer Delikatesse aufkommt.
Ähnlich unkalkulierbar sind einige Produkte im Gemüsefach. Die wurden zwar mit der Absicht gekauft, mehr Frisches und Rohkost statt Fertigware zu essen, wenn aber Endiviensalate, Blattpetersilie oder Brokkoli sehr groß sind, bleiben sie zwar grundsätzlich gesund, aber gilt das auch, wenn Teile davon bereits gelb und matschig sind?
Und wie sieht es mit den nützlichen, unentbehrlichen Basisprodukten aus? Butter, Milch, Käse, Quark, Wurstaufschnitt etc.? Hier stellt sich die Frage, ob die Verbrauchsmengen mit den Vorratsmengen einigermaßen übereinstimmen. Das ist nur dann der Fall, wenn keine Überraschungen dazwischen kommen, wie spontaner Besuch aus der Familie oder eine Magenverstimmung. Oder andere Schreckensnachrichten aus den Medien, die liebgewonnene Gewohnheiten vergraulen. Weil bestimmte Produkte zum Krebserreger werden, viel zu viele Mikropartikel enthalten, vor allem aber Allergieerreger sind. Schlagartig dümpeln von da an entsprechende Produkte vor sich. Bis sich die Horrornachrichten aus dem Kopf wieder verzogen haben und alte Gewohnheiten zurückkehren dürfen dauert es oft Wochen.
Genauso wie bei guten Vorsätzen. Zum Beispiel der Absicht, von heute weniger Alkohol zu trinken. Haben sich derartige Einsichten irgendwann doch wieder verflüchtigt, ist die halbe Flasche Weißwein bereits Essig.
Auch können kurzfristige Gesundheitsempfehlungen und entsprechende Produkte den Kühlschrank versperren. Dazu zählen Algenpräparate, Kräutersäfte oder andere Kraftmischungen, die in entsprechend großen Mengen eingekauft wurden, um nicht nur sich, sondern auch die eigene Überzeugung zu stärken.
Die Haltbarkeit solcher Erkenntnisse wird gerne überschätzt. Jede Gesundheitsüberzeugung lässt sich durch Neuere und Bessere ersetzen, bevor die alten XXL-Packungen aufgebraucht wurden.
Über die Wirren, Hoffnungen und Träume moderner Menschen in der Wohlstandsgesellschaft gibt der Kühlschrank jedenfalls mehr Auskunft als so manche soziologische Befragung. Statt sich auf vorbildliche und beliebte Aussagen von Verbrauchern zu verlassen, sollte man lieber im Kühlschrank der kalten Wahrheit ins Gesicht schauen.