Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Königsberger Klopse
RAU
Auf dem Rückweg muss ich noch Aspirin besorgen, auf beiden Seiten der Straße viele Imbissbuden und Lokale, von Restaurants kann man hier nicht reden. Natürlich der türkische Dönerladen, es sind sogar drei, Vietnamese, Thailänder, Koreaner, Spanier, Araber, Burgerladen, Currywurststand und Suppenküche. Irgendwen vergessen? Zumal bald jedes halbe Jahr jemand schließt und ein anderer eröffnet. Die halbe Welt auf einer Straße. An der Ecke dann das Thomaseck, eine halbe Institution im Kiez. Auch hier sind wie bei den anderen draussen fast alle Tische besetzt, und eine aufgestellte Schiefertafel kündigt das heutige Tagesgericht an. Königsberger Klopse mit Salzkartoffeln und kleinem Salat für 7,90 Euro.
Ich schließe mein Rad ab und überlege, mich an den letzten freien Tisch zu setzen und das Tagesgericht zu bestellen, dabei habe ich noch nie im Thomaseck auch nur ein Bier getrunken. Eine typische Eckkneipe mit Sky-Fußballübertragungen, einem in die Jahre gekommenen Interieur und mit Gästen deutlich über sechzig, die genauso aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Männer mit beigen Socken und gemusterten Strickpullovern, die Damen etwas breiter, gut gefüllte Biergläser und volle Aschenbecher auf den Tischen. Ausländer, Fremde oder Andere oder wie man jetzt sagt, sitzen hier nicht, Jüngere schon gar nicht, nicht an diesem frühen Mittwochabend und auch sonst nicht.
Kurz vor sieben haben leider auch andere die Idee, noch dringend etwas in der Apotheke zu besorgen, also stelle ich mich geduldig, nein vielmehr ziemlich ungeduldig in die Warteschlange und lasse meine Blicke über die wohlsortierten Regale gleiten und denke doch wieder an die Klopse gegenüber. Die werden sicherlich nicht schmecken, ganz bestimmt nicht. Und wer weiß, was da alles drin ist. Wohl kein mageres Kalbfleisch, sondern irgendein Schweinehack mit allen möglichen Restfetten vermischt, schlecht gewürzt, nämlich gar nicht, die Sauce mit Soßenbinder und Geschmacksverstärker, und viele Kapern habe ich im Vorbeigehen auf den Tellern auch nicht gesehen. Sofort denke ich an Mutters Klopse aus feinstem, mageren Kalbfleischhack in einer sämigen, hellen Sause mit vielen Kapern und einer zusätzlichen Säure von frischem Zitronensaft. Sie macht sie nach einem Gericht ihrer Großmutter, ein Gedicht.
So stehe ich in der Warteschlange in der Apotheke, möchte nur endlich meine Aspirin Plus kaufen und habe plötzlich den wunderbaren Geschmack von Mutters Klopsen auf der Zunge. Denke an meine Urgroßmutter, an die ich noch blasse Erinnerungen habe, und daran, dass diese Klopse für mich eines der typischsten, deutschen Gerichte sind. Heute bekommt man sie kaum noch in Restaurants, bei Wurst-Hase am Rathaus kann man sie kalt kaufen und sich dann zuhause warm machen, aber die kann man ohne schlechtes Gewissen auch gleich in die Tonne werfen. Zu weich im Biss, zu fad im Geschmack und die Kapern muss man auch mit der Lupe suchen.
Königsberger Klopse, gleich gegenüber der Apotheke gibt es sie jeden Mittwoch im Thomaseck mit Salzkartoffeln und kleinem Salat für 7,90 Euro. Auf dieser Straße vertreten sie die deutsche Küche neben Döner, Falafel, Halumi, Burger, Pommes, Currywurst, gelbem, rotem, grünem Curry und neuerdings auch so bunt verzierten, sündhaft teuren Donuts und süßen BubbleTeas.
Nur noch ein Kunde vor mir, bald werde ich mein Aspirin bekommen. Und wenn nachher wirklich noch ein Tisch frei sein wird, werde ich mich dort hinsetzen und die Klopse bestellen, mich unter die Ü60 plus mischen, sie einfach übersehen und ihre Gespräche überhören. Werde mir ein kühlen Pils bestellen und mich auf den Geschmack, die Würze und, ganz wichtig, die Lockerheit oder Festigkeit der Fleischbällchen freuen. Ich erwarte nicht viel, eigentlich gar nichts, notfalls trinke ich nur das Pils, lasse den vollen Teller stehen und genieße noch etwas die letzte Abendsonne, der erste Biss wird entscheiden, Hop oder Top.
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Königsberger Klopse
RAU
Auf dem Rückweg muss ich noch Aspirin besorgen, auf beiden Seiten der Straße viele Imbissbuden und Lokale, von Restaurants kann man hier nicht reden. Natürlich der türkische Dönerladen, es sind sogar drei, Vietnamese, Thailänder, Koreaner, Spanier, Araber, Burgerladen, Currywurststand und Suppenküche. Irgendwen vergessen? Zumal bald jedes halbe Jahr jemand schließt und ein anderer eröffnet. Die halbe Welt auf einer Straße. An der Ecke dann das Thomaseck, eine halbe Institution im Kiez. Auch hier sind wie bei den anderen draussen fast alle Tische besetzt, und eine aufgestellte Schiefertafel kündigt das heutige Tagesgericht an. Königsberger Klopse mit Salzkartoffeln und kleinem Salat für 7,90 Euro.
Ich schließe mein Rad ab und überlege, mich an den letzten freien Tisch zu setzen und das Tagesgericht zu bestellen, dabei habe ich noch nie im Thomaseck auch nur ein Bier getrunken. Eine typische Eckkneipe mit Sky-Fußballübertragungen, einem in die Jahre gekommenen Interieur und mit Gästen deutlich über sechzig, die genauso aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Männer mit beigen Socken und gemusterten Strickpullovern, die Damen etwas breiter, gut gefüllte Biergläser und volle Aschenbecher auf den Tischen. Ausländer, Fremde oder Andere oder wie man jetzt sagt, sitzen hier nicht, Jüngere schon gar nicht, nicht an diesem frühen Mittwochabend und auch sonst nicht.
Kurz vor sieben haben leider auch andere die Idee, noch dringend etwas in der Apotheke zu besorgen, also stelle ich mich geduldig, nein vielmehr ziemlich ungeduldig in die Warteschlange und lasse meine Blicke über die wohlsortierten Regale gleiten und denke doch wieder an die Klopse gegenüber. Die werden sicherlich nicht schmecken, ganz bestimmt nicht. Und wer weiß, was da alles drin ist. Wohl kein mageres Kalbfleisch, sondern irgendein Schweinehack mit allen möglichen Restfetten vermischt, schlecht gewürzt, nämlich gar nicht, die Sauce mit Soßenbinder und Geschmacksverstärker, und viele Kapern habe ich im Vorbeigehen auf den Tellern auch nicht gesehen. Sofort denke ich an Mutters Klopse aus feinstem, mageren Kalbfleischhack in einer sämigen, hellen Sause mit vielen Kapern und einer zusätzlichen Säure von frischem Zitronensaft. Sie macht sie nach einem Gericht ihrer Großmutter, ein Gedicht.
So stehe ich in der Warteschlange in der Apotheke, möchte nur endlich meine Aspirin Plus kaufen und habe plötzlich den wunderbaren Geschmack von Mutters Klopsen auf der Zunge. Denke an meine Urgroßmutter, an die ich noch blasse Erinnerungen habe, und daran, dass diese Klopse für mich eines der typischsten, deutschen Gerichte sind. Heute bekommt man sie kaum noch in Restaurants, bei Wurst-Hase am Rathaus kann man sie kalt kaufen und sich dann zuhause warm machen, aber die kann man ohne schlechtes Gewissen auch gleich in die Tonne werfen. Zu weich im Biss, zu fad im Geschmack und die Kapern muss man auch mit der Lupe suchen.
Königsberger Klopse, gleich gegenüber der Apotheke gibt es sie jeden Mittwoch im Thomaseck mit Salzkartoffeln und kleinem Salat für 7,90 Euro. Auf dieser Straße vertreten sie die deutsche Küche neben Döner, Falafel, Halumi, Burger, Pommes, Currywurst, gelbem, rotem, grünem Curry und neuerdings auch so bunt verzierten, sündhaft teuren Donuts und süßen BubbleTeas.
Nur noch ein Kunde vor mir, bald werde ich mein Aspirin bekommen. Und wenn nachher wirklich noch ein Tisch frei sein wird, werde ich mich dort hinsetzen und die Klopse bestellen, mich unter die Ü60 plus mischen, sie einfach übersehen und ihre Gespräche überhören. Werde mir ein kühlen Pils bestellen und mich auf den Geschmack, die Würze und, ganz wichtig, die Lockerheit oder Festigkeit der Fleischbällchen freuen. Ich erwarte nicht viel, eigentlich gar nichts, notfalls trinke ich nur das Pils, lasse den vollen Teller stehen und genieße noch etwas die letzte Abendsonne, der erste Biss wird entscheiden, Hop oder Top.