Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Königsberger Klopse
WIE
Es ist gar nicht einfach, sich mit dem weißen Plastiktablett, dem eingerollten Besteck in der Papierserviette und der Umhängetasche durch die endlosen Stuhl-und Tischreihen der Mensa zu schlängeln. Die Tabletvertiefung, in der weiß-gelbliche Soße und drei kugelrunde Bällchen hin- und herschwappen, ist randvoll gefüllt. Das schränkt die Schrittgeschwindigkeit massiv ein. Doch irgendwann findet er einen Platz, bei dem auch die beiden Nachbarstühle frei sind. Der Lautstärkepegel im Saal ist heftig genug, die Masse der Reklameflyer auf jedem Tisch auch.
Als er sitzt, folgt die typische Geste eines jeden Mensabesuchers. Mit der Gabel wird das, was sich auf dem Tablett vor ihm befindet, erst einmal gedreht und gewendet. Da ist der grüne Salat in weißer Soße mit großen Zwiebelstückchen, daneben die weitgehend zerbröselten Salzkartoffeln und dann die Abteilung mit der farblosen, viel zu dünnen Soße, in der drei verdächtig runde Klopse und ein paar der heiß begehrten Kapern schwimmen.
Er hat nicht das erste Mal dieses Stammessen vor sich, da es mittlerweile auf das Ende seiner Studentenzeit zugeht, und auch die hat sich etwas länger hingezogen. Wann immer das Stammessen Königsberger Klopse zur Wahl steht, keimt in ihm die Hoffnung auf, doch noch einmal in den Genuss seines Lieblingsessens aus Kindertagen zu kommen. Damals waren es zuhause mehr als drei Hackbällchen, jedes in eigener Größe und Form, in einer Soße, deren Konsistenz nicht zu dünn und deren Würze einfach stimmte, weil die Menge der Kapern passte. Er hat es genau vor sich, meint es zu riechen und auch zu sehen, selbst wenn das, was gerade vor ihm steht, so gar nichts damit zu tun zu haben scheint.
Das alles geht ihm in Sekundenschnelle durch den Kopf. Aber spätesten jetzt, wo ihm plötzlich dieser zu allen Mensagerichten passende Geruch bewusst wird, der ja genau genommen schon an der Eingangstür zu riechen ist, beginnt der Genuss zu bröckeln. Er beschließt die Enttäuschung zu verdrängen und sich den vertrauten Geschmack von früher einzureden, irgendwie herbeizuzaubern. Das muss doch gehen. Doch bald muss er einsehen, wie schwer so eine Selbsttäuschung sein kann.
Trotzdem, er ist hungrig, sehr hungrig. Die Selbstverköstigung in seinem kleinen Zimmer im Souterrain ist auf Brot und Käse beschränkt, warmes, erschwingliches Essen ist nur in der Mensa zu bekommen. Er blättert in den Flyern auf dem Tisch und versucht das Mahl auf dem Tablett als Stammessen Drei, als Sättigungsmasse mit oder ohne Namen und ohne nennenswerte, geschmackliche Eigenschaften an sich und seinem Gaumen vorbei gleiten zu lassen.
Aber immerhin, in der Zeit zwischen Warten vor der Essensausgabe bis zum Setzen an den Tisch haben sich seine Geschmacksphantasien doch gelohnt und ihm einen kleinen Genuss beschert.
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Königsberger Klopse
WIE
Es ist gar nicht einfach, sich mit dem weißen Plastiktablett, dem eingerollten Besteck in der Papierserviette und der Umhängetasche durch die endlosen Stuhl-und Tischreihen der Mensa zu schlängeln. Die Tabletvertiefung, in der weiß-gelbliche Soße und drei kugelrunde Bällchen hin- und herschwappen, ist randvoll gefüllt. Das schränkt die Schrittgeschwindigkeit massiv ein. Doch irgendwann findet er einen Platz, bei dem auch die beiden Nachbarstühle frei sind. Der Lautstärkepegel im Saal ist heftig genug, die Masse der Reklameflyer auf jedem Tisch auch.
Als er sitzt, folgt die typische Geste eines jeden Mensabesuchers. Mit der Gabel wird das, was sich auf dem Tablett vor ihm befindet, erst einmal gedreht und gewendet. Da ist der grüne Salat in weißer Soße mit großen Zwiebelstückchen, daneben die weitgehend zerbröselten Salzkartoffeln und dann die Abteilung mit der farblosen, viel zu dünnen Soße, in der drei verdächtig runde Klopse und ein paar der heiß begehrten Kapern schwimmen.
Er hat nicht das erste Mal dieses Stammessen vor sich, da es mittlerweile auf das Ende seiner Studentenzeit zugeht, und auch die hat sich etwas länger hingezogen. Wann immer das Stammessen Königsberger Klopse zur Wahl steht, keimt in ihm die Hoffnung auf, doch noch einmal in den Genuss seines Lieblingsessens aus Kindertagen zu kommen. Damals waren es zuhause mehr als drei Hackbällchen, jedes in eigener Größe und Form, in einer Soße, deren Konsistenz nicht zu dünn und deren Würze einfach stimmte, weil die Menge der Kapern passte. Er hat es genau vor sich, meint es zu riechen und auch zu sehen, selbst wenn das, was gerade vor ihm steht, so gar nichts damit zu tun zu haben scheint.
Das alles geht ihm in Sekundenschnelle durch den Kopf. Aber spätesten jetzt, wo ihm plötzlich dieser zu allen Mensagerichten passende Geruch bewusst wird, der ja genau genommen schon an der Eingangstür zu riechen ist, beginnt der Genuss zu bröckeln. Er beschließt die Enttäuschung zu verdrängen und sich den vertrauten Geschmack von früher einzureden, irgendwie herbeizuzaubern. Das muss doch gehen. Doch bald muss er einsehen, wie schwer so eine Selbsttäuschung sein kann.
Trotzdem, er ist hungrig, sehr hungrig. Die Selbstverköstigung in seinem kleinen Zimmer im Souterrain ist auf Brot und Käse beschränkt, warmes, erschwingliches Essen ist nur in der Mensa zu bekommen. Er blättert in den Flyern auf dem Tisch und versucht das Mahl auf dem Tablett als Stammessen Drei, als Sättigungsmasse mit oder ohne Namen und ohne nennenswerte, geschmackliche Eigenschaften an sich und seinem Gaumen vorbei gleiten zu lassen.
Aber immerhin, in der Zeit zwischen Warten vor der Essensausgabe bis zum Setzen an den Tisch haben sich seine Geschmacksphantasien doch gelohnt und ihm einen kleinen Genuss beschert.