Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Gute Freunde
WIE
„Und wie war dein Wochenende?“
„Frag nicht, ich habe mich ellenlang mit der Umsatzsteuervoranmeldung herumgeschlagen.“
„So kompliziert alles?“
„Nein, im Prinzip gar nicht, ich kann es nur nicht ausstehen, Angaben fürs Finanzamt zusammen zu suchen.“
„Du musst unangenehme Tätigkeiten mit positiven Reizen kombinieren. Habe ich mal in einem Ratgeber gelesen. Eine leckere Tasse Kakao, deine Lieblingsmusik im Hintergrund, die Lieblingswollsocken anziehen und so was halt.“
„Ich habe keine Lieblingssocken, ich habe nur Socken.“
„Dann eine schöne Schreibtischlampe organisieren, ein neues Mousepad, wenn das alte schäbig ist.“
„Was soll der Quatsch, alles nur noch mehr Ablenkung, mit denen es noch länger dauert.“
„Wieso Ablenkung, wenn es hilft?“
„Zwischen Hilfe und Ablenkung ist es oft nur ein schmaler Grat. Für einen kurzen Moment erscheint es als Erleichterung, eine Stunde später hat es mich dann doch nur abgehalten.“
“Vielleicht bist du eher der Typ, der sich vor Ablenkungen schützen sollte.”
“Das sagt sich so leicht, wenn ich für die Umsatzsteuervoranmeldung eine Mail mit einer Rechnung suche. Und in dem Augenblick macht mir mein Mailprogramm schon Angebote, was es sonst noch Wichtiges auf der Welt gibt. Und ich denke, vor den Neuigkeiten des Tages darf ich auch nicht die Augen verschließen. Und nach den Katastrophenbildern kommen dann kurze Videos von putzigen Bären, torkelnden Hühnern oder einem übergeschnappten Akrobaten auf dem Skateboard. Und ich kann nicht aufhören, weiterzusehen. Genau wie bei süßen, scharfen und fettigen Leckereien. Hast du einmal angefangen, bleibst du immer dran.”
“Ja gut, eine bisschen Disziplin ist nicht schlecht, das wissen wir aus der Schulzeit.”
„Und was ist, wenn die Ablenkungen von den besten Freunden kommen? Und die soll man ja auch nicht vernachlässigen. Und sie schicken einem auch wieder Videos mit rührenden Tieren, die sich gegenseitig aus der Patsche helfen. Aber was hilft mir das?”
“Dann müssen die Freunde mal auf Likes verzichten.”
“Weiß ich ja, aber leider kommt die eine oder andere eigene Schwäche auch noch dazu. Dazu gehören Videos mit kleinen Tipps für den Haushalt. Wo du in zehn Minuten dreißig Situationen gezeigt bekommst, in denen ich mich normalerweise kaputt ärgere. Und ich dann dreißigmal vorgeführt bekomme, wie das mit ein paar einfachen Tricks ganz leicht zu bewältigen ist. Dann denke ich, wenn das mal keine Motivationsspritze ist, um die Umsatzsteuervoranmeldung fertig zu kriegen. Dummerweise scheint es aber eher meinen Perfektionismus zu schüren, denn dann denke ich, vielleicht wären ein paar Videos besser, in denen Pandabären auf die Schnauze fallen, Grizzlybären ausrutschen oder dicke Mackertypen versuchen, mit einem LKW senkrecht eine Wand hochzufahren. Diese Ablenkungen geben etwas Trost, zeigen mir, auf dieser Welt scheint auch bei anderen nicht immer alles zu klappen. Aber ob das ausreicht, um meinem Finanzamt mitzuteilen, dass ich noch nicht alle Rechnungen für dieses Quartal zusammen habe?“
“Früher haben wir geraucht, wenn wir eine Ablenkung brauchten. Gesund war das nicht, abgelenkt hat es schon. Es hat vor allem einen Vorteil gehabt, die Ablenkung war irgendwann zu Ende.”
“Insofern hat es gut funktioniert, obwohl es ungesund war.”
“Die modernen Ablenkungen sind gesünder, aber lassen sich schwer abbrechen.”
“Vielleicht sollte ich doch noch mal mit dem Rauchen anfangen.“
“Spart Zeit.”
“Aber auch Lebenszeit.“
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der wöchentliche Schreibblog
Gute Freunde
WIE
„Und wie war dein Wochenende?“
„Frag nicht, ich habe mich ellenlang mit der Umsatzsteuervoranmeldung herumgeschlagen.“
„So kompliziert alles?“
„Nein, im Prinzip gar nicht, ich kann es nur nicht ausstehen, Angaben fürs Finanzamt zusammen zu suchen.“
„Du musst unangenehme Tätigkeiten mit positiven Reizen kombinieren. Habe ich mal in einem Ratgeber gelesen. Eine leckere Tasse Kakao, deine Lieblingsmusik im Hintergrund, die Lieblingswollsocken anziehen und so was halt.“
„Ich habe keine Lieblingssocken, ich habe nur Socken.“
„Dann eine schöne Schreibtischlampe organisieren, ein neues Mousepad, wenn das alte schäbig ist.“
„Was soll der Quatsch, alles nur noch mehr Ablenkung, mit denen es noch länger dauert.“
„Wieso Ablenkung, wenn es hilft?“
„Zwischen Hilfe und Ablenkung ist es oft nur ein schmaler Grat. Für einen kurzen Moment erscheint es als Erleichterung, eine Stunde später hat es mich dann doch nur abgehalten.“
“Vielleicht bist du eher der Typ, der sich vor Ablenkungen schützen sollte.”
“Das sagt sich so leicht, wenn ich für die Umsatzsteuervoranmeldung eine Mail mit einer Rechnung suche. Und in dem Augenblick macht mir mein Mailprogramm schon Angebote, was es sonst noch Wichtiges auf der Welt gibt. Und ich denke, vor den Neuigkeiten des Tages darf ich auch nicht die Augen verschließen. Und nach den Katastrophenbildern kommen dann kurze Videos von putzigen Bären, torkelnden Hühnern oder einem übergeschnappten Akrobaten auf dem Skateboard. Und ich kann nicht aufhören, weiterzusehen. Genau wie bei süßen, scharfen und fettigen Leckereien. Hast du einmal angefangen, bleibst du immer dran.”
“Ja gut, eine bisschen Disziplin ist nicht schlecht, das wissen wir aus der Schulzeit.”
„Und was ist, wenn die Ablenkungen von den besten Freunden kommen? Und die soll man ja auch nicht vernachlässigen. Und sie schicken einem auch wieder Videos mit rührenden Tieren, die sich gegenseitig aus der Patsche helfen. Aber was hilft mir das?”
“Dann müssen die Freunde mal auf Likes verzichten.”
“Weiß ich ja, aber leider kommt die eine oder andere eigene Schwäche auch noch dazu. Dazu gehören Videos mit kleinen Tipps für den Haushalt. Wo du in zehn Minuten dreißig Situationen gezeigt bekommst, in denen ich mich normalerweise kaputt ärgere. Und ich dann dreißigmal vorgeführt bekomme, wie das mit ein paar einfachen Tricks ganz leicht zu bewältigen ist. Dann denke ich, wenn das mal keine Motivationsspritze ist, um die Umsatzsteuervoranmeldung fertig zu kriegen. Dummerweise scheint es aber eher meinen Perfektionismus zu schüren, denn dann denke ich, vielleicht wären ein paar Videos besser, in denen Pandabären auf die Schnauze fallen, Grizzlybären ausrutschen oder dicke Mackertypen versuchen, mit einem LKW senkrecht eine Wand hochzufahren. Diese Ablenkungen geben etwas Trost, zeigen mir, auf dieser Welt scheint auch bei anderen nicht immer alles zu klappen. Aber ob das ausreicht, um meinem Finanzamt mitzuteilen, dass ich noch nicht alle Rechnungen für dieses Quartal zusammen habe?“
“Früher haben wir geraucht, wenn wir eine Ablenkung brauchten. Gesund war das nicht, abgelenkt hat es schon. Es hat vor allem einen Vorteil gehabt, die Ablenkung war irgendwann zu Ende.”
“Insofern hat es gut funktioniert, obwohl es ungesund war.”
“Die modernen Ablenkungen sind gesünder, aber lassen sich schwer abbrechen.”
“Vielleicht sollte ich doch noch mal mit dem Rauchen anfangen.“
“Spart Zeit.”
“Aber auch Lebenszeit.“