Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Kann das gut gehen?
RAU
„Oh weh, willst Du das wirklich noch lernen?“
„Na, du hast ja Nerven, jetzt den Job zu wechseln.“
„Nach fast dreißig Jahren verlässt Du Deinen Mann, echt jetzt?“
Sie kann sich noch gut an diese Sätze erinnern, die ihrer Mutter früher so entgegen geschmettert worden sind.
Herrje, immer diese ewigen Bedenkenträger. ‚Das kann doch nicht gutgehen‘ war stets die Devise statt ‚dann mach‘ mal‘. Nur nichts Neues wagen, lieber immer weitermachen im Hamsterrad, Augen zu und durch, nur nicht klagen und dankbar sein für das, was ist. Die Macht der Gewohnheit ist das weiche Kissen des Lebens. Das, nur das zählt. Alle anderen sind Spinner und ticken nicht richtig.
Zum Glück war Mutter anders. Auch wenn es anstrengend war als ihre Tochter, sie hat ihr Leben lang ihr Ding durchgezogen ohne Wenn und Aber. Jobs gewechselt, Ehemann verlassen und sich Jahre später mit einem deutlich jüngeren Mann eingelassen, mit siebzig noch das Klavierspielen begonnen. Als Tochter tat es oft weh, wenn Mutter aus dem Gewohnten ausgebrochen ist. Allein die Bemerkungen von Freund:innen, Nachbarn und Familienmitgliedern auszuhalten, war Plage und Leistung zugleich. Und sie hätte mehr als einmal gerne eine Mutter gehabt, die genauso ist wie alle anderen auch. Einfach da ist. Mit auf den Spielplatz geht und zu den Elternabenden, einen Kuchen bäckt zu den Geburtstagen statt schnell einen beim Bäcker zu kaufen. Sie nachmittags im Kleinwagen zum Sport bringt statt einen Motorradführerschein zu machen. Meinetwegen einen Fulltimejob macht, aber doch bitte nicht auch noch in die Politik geht. Es gab Jahre, da sah sie Mutter häufiger in den Zeitungen oder im Fernsehen als zuhause.
„Das kann doch nicht gut gehen“, wurde damals hinter vorgehaltener Hand gesprochen, „die armen Kinder, der arme Mann“. Von Menschen, die es gut mit ihnen meinten, wie sie oft genug betonten. Dass sie nicht lacht. Es ist wahrlich eine Herausforderung, den anderen so sein zu lassen, wie er/sie möchte. Als langjährige Ehefrau weiß sie mittlerweile auch ein Lied davon zu singen. Aber all den Mahnern und Ängstlichen und vielleicht auch Neidern von damals und heute kann sie nur sagen: lieber mit offenem Visier durchs Leben gehen getreu dem ‚Rheinischen Grundgesetz‘ Artikel drei: ‚Et hätt noch emmer joot jejange.‘
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Kann das gut gehen?
RAU
„Oh weh, willst Du das wirklich noch lernen?“
„Na, du hast ja Nerven, jetzt den Job zu wechseln.“
„Nach fast dreißig Jahren verlässt Du Deinen Mann, echt jetzt?“
Sie kann sich noch gut an diese Sätze erinnern, die ihrer Mutter früher so entgegen geschmettert worden sind.
Herrje, immer diese ewigen Bedenkenträger. ‚Das kann doch nicht gutgehen‘ war stets die Devise statt ‚dann mach‘ mal‘. Nur nichts Neues wagen, lieber immer weitermachen im Hamsterrad, Augen zu und durch, nur nicht klagen und dankbar sein für das, was ist. Die Macht der Gewohnheit ist das weiche Kissen des Lebens. Das, nur das zählt. Alle anderen sind Spinner und ticken nicht richtig.
Zum Glück war Mutter anders. Auch wenn es anstrengend war als ihre Tochter, sie hat ihr Leben lang ihr Ding durchgezogen ohne Wenn und Aber. Jobs gewechselt, Ehemann verlassen und sich Jahre später mit einem deutlich jüngeren Mann eingelassen, mit siebzig noch das Klavierspielen begonnen. Als Tochter tat es oft weh, wenn Mutter aus dem Gewohnten ausgebrochen ist. Allein die Bemerkungen von Freund:innen, Nachbarn und Familienmitgliedern auszuhalten, war Plage und Leistung zugleich. Und sie hätte mehr als einmal gerne eine Mutter gehabt, die genauso ist wie alle anderen auch. Einfach da ist. Mit auf den Spielplatz geht und zu den Elternabenden, einen Kuchen bäckt zu den Geburtstagen statt schnell einen beim Bäcker zu kaufen. Sie nachmittags im Kleinwagen zum Sport bringt statt einen Motorradführerschein zu machen. Meinetwegen einen Fulltimejob macht, aber doch bitte nicht auch noch in die Politik geht. Es gab Jahre, da sah sie Mutter häufiger in den Zeitungen oder im Fernsehen als zuhause.
„Das kann doch nicht gut gehen“, wurde damals hinter vorgehaltener Hand gesprochen, „die armen Kinder, der arme Mann“. Von Menschen, die es gut mit ihnen meinten, wie sie oft genug betonten. Dass sie nicht lacht. Es ist wahrlich eine Herausforderung, den anderen so sein zu lassen, wie er/sie möchte. Als langjährige Ehefrau weiß sie mittlerweile auch ein Lied davon zu singen. Aber all den Mahnern und Ängstlichen und vielleicht auch Neidern von damals und heute kann sie nur sagen: lieber mit offenem Visier durchs Leben gehen getreu dem ‚Rheinischen Grundgesetz‘ Artikel drei: ‚Et hätt noch emmer joot jejange.‘