Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Kaltes Buffet
WIE
„Und was ist das hier?“ In seiner linken Hand hält er einen Teller in der Größe einer Single. So nannte man früher kleine Schallplatte, auf denen sich auf jeder Seite nur ein Musikstück befindet. Und hier muss er jetzt auf diesem kleinen Durchmesser möglichst viele Köstlichkeiten vom kalten Büfett platziert bekommen. Was nicht einfach ist, da er zusätzlich noch Besteck und Serviette festhalten muss. Das Weinglas hat er schon irgendwo zwischen den Brotkörben geparkt. An den Schüsseln mit weit ausladenden grünen Salaten geht er schon mal vorbei, da ist der kleine Teller ja voll ohne das wirklich was drauf ist.
„Oh, das weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, das sieht alles so köstlich aus“, hört er eine Stimme neben sich sagen.
„Für jemanden, der sich sowieso schon nur schwer entscheiden kann eine echte Herausforderung“ denkt er, sagt aber nichts. Small-Talk sollte man nie mit einer persönlichen Schwäche beginnen, das ist nicht besonders förderlich für den Redefluss. Außerdem weiß er, sich unterhalten und währenddessen zu entscheiden, ist für ihn noch nie eine einfache Sache gewesen. Zum Beispiel auf einer hohen Leiter stehen und gefragt werden, was man zu Mittag essen möchte oder ein angeblich ganz leichtes Möbelstück die Treppe rauf zu tragen und dann noch schnell gefragt werden, ob man eine Geschenkidee für die abendliche Einladung bei den Nachbarn habe.
Und jetzt steht er genau auf dieser nachbarlichen Einladung vor dem kalten Büfett und muss aufpassen, dass nichts von der Rote-Beete-Salatsoße über den Tellerrand läuft. Das Büfett befindet in einem Raum mit hellbeigem Teppichboden. Grundsätzlich sollte man nur farblose Dressings bei hellen Teppichböden servieren, denkt er.
„Hm, da sieht eins verführerischer aus als das andere“, hört er von einer anderen Seite. Ein kurzer Blick auf den Teller neben ihm verrät, irgendwo muss es auch große Teller gegeben haben. Aber jetzt ist es dafür zu spät. Schade, denkt er, denn auf dem großen Teller neben ihm befindet sich die doppelte Menge an Büfett-Köstlichkeiten und macht dennoch einen bescheidenen und übersichtlichen Eindruck, ganz im Gegensatz zu seinem eigenen Teller.
Sofort muss er an die Zeit in der Unimensa denken, damals an der Salattheke, als es noch keine Waagen gab, sondern nur die kleinen oder großen Schälchen an der Kasse unterschieden wurde. Damals entwickelten sie die hohe Kunst des Stapelns. Da wurde der Schälchenrand mit Hilfe von kleinen Maiskolben und Salatblättern ums doppelte erhöht. In dieses Nest wurden erst schwerere und flüssigere Salate eingefüllt und ausreichend mit Majonaisedressing verdichtet. Dann weitere Beilagen drüber gelegt, um zum Schluss alles mit geriebenen Käse und gekochtem Ei noch mal nach unten zu drücken. Ein letztes grünes Salatblatt oben drauf und alles sah gesund und bescheiden aus.
„Können sie sich vielleicht doch noch mal langsam entscheiden?“, hört er eine Stimme hinter sich. Er muss tatsächlich einige Zeit gedankenverloren rumgestanden haben.
„Das sieht alles so köstlich aus, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll“, wiederholt er den Lieblingssatz an kalten Büfetts und sucht anschließend sein Weinglas. Es steht tatsächlich noch da, auch wenn mittlerweile einige Brotkrumen darin schwimmen.
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Kaltes Buffet
WIE
„Und was ist das hier?“ In seiner linken Hand hält er einen Teller in der Größe einer Single. So nannte man früher kleine Schallplatte, auf denen sich auf jeder Seite nur ein Musikstück befindet. Und hier muss er jetzt auf diesem kleinen Durchmesser möglichst viele Köstlichkeiten vom kalten Büfett platziert bekommen. Was nicht einfach ist, da er zusätzlich noch Besteck und Serviette festhalten muss. Das Weinglas hat er schon irgendwo zwischen den Brotkörben geparkt. An den Schüsseln mit weit ausladenden grünen Salaten geht er schon mal vorbei, da ist der kleine Teller ja voll ohne das wirklich was drauf ist.
„Oh, das weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, das sieht alles so köstlich aus“, hört er eine Stimme neben sich sagen.
„Für jemanden, der sich sowieso schon nur schwer entscheiden kann eine echte Herausforderung“ denkt er, sagt aber nichts. Small-Talk sollte man nie mit einer persönlichen Schwäche beginnen, das ist nicht besonders förderlich für den Redefluss. Außerdem weiß er, sich unterhalten und währenddessen zu entscheiden, ist für ihn noch nie eine einfache Sache gewesen. Zum Beispiel auf einer hohen Leiter stehen und gefragt werden, was man zu Mittag essen möchte oder ein angeblich ganz leichtes Möbelstück die Treppe rauf zu tragen und dann noch schnell gefragt werden, ob man eine Geschenkidee für die abendliche Einladung bei den Nachbarn habe.
Und jetzt steht er genau auf dieser nachbarlichen Einladung vor dem kalten Büfett und muss aufpassen, dass nichts von der Rote-Beete-Salatsoße über den Tellerrand läuft. Das Büfett befindet in einem Raum mit hellbeigem Teppichboden. Grundsätzlich sollte man nur farblose Dressings bei hellen Teppichböden servieren, denkt er.
„Hm, da sieht eins verführerischer aus als das andere“, hört er von einer anderen Seite. Ein kurzer Blick auf den Teller neben ihm verrät, irgendwo muss es auch große Teller gegeben haben. Aber jetzt ist es dafür zu spät. Schade, denkt er, denn auf dem großen Teller neben ihm befindet sich die doppelte Menge an Büfett-Köstlichkeiten und macht dennoch einen bescheidenen und übersichtlichen Eindruck, ganz im Gegensatz zu seinem eigenen Teller.
Sofort muss er an die Zeit in der Unimensa denken, damals an der Salattheke, als es noch keine Waagen gab, sondern nur die kleinen oder großen Schälchen an der Kasse unterschieden wurde. Damals entwickelten sie die hohe Kunst des Stapelns. Da wurde der Schälchenrand mit Hilfe von kleinen Maiskolben und Salatblättern ums doppelte erhöht. In dieses Nest wurden erst schwerere und flüssigere Salate eingefüllt und ausreichend mit Majonaisedressing verdichtet. Dann weitere Beilagen drüber gelegt, um zum Schluss alles mit geriebenen Käse und gekochtem Ei noch mal nach unten zu drücken. Ein letztes grünes Salatblatt oben drauf und alles sah gesund und bescheiden aus.
„Können sie sich vielleicht doch noch mal langsam entscheiden?“, hört er eine Stimme hinter sich. Er muss tatsächlich einige Zeit gedankenverloren rumgestanden haben.
„Das sieht alles so köstlich aus, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll“, wiederholt er den Lieblingssatz an kalten Büfetts und sucht anschließend sein Weinglas. Es steht tatsächlich noch da, auch wenn mittlerweile einige Brotkrumen darin schwimmen.