Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Versteckspiel
WIE
„Hast du nie irgendwas verstecken müssen in deinem Leben?“, fragt Josephine ihre beste Freundin Britta. Auch wenn sie schon seit langem in großer Entfernung zueinander wohnen, sprechen sie sich doch regelmäßig.
„Nein, nicht das ich wüsste, es sei denn, ich habe es nicht bemerkt.“
„Hör mal, wir haben zusammen die Schulbank gedrückt, wir waren zusammen im Konfirmandenunterricht, haben zusammen uns durchs Abitur gepfuscht.“
„Muss man denn Versteckspiele haben? Ich meine jetzt nicht nur Affären, auch berufliche, gesundheitliche oder finanzielle Probleme?“ fragt Britta zurück.
„Normal nicht“ , antwortet Josephine, „aber kommt schon öfters vor. Ich meine, du so als Apothekerin hinter der Verkaufstheke, und bei deinen Nachtdiensten, das dürftest du doch so manches Versteckspiel mitkriegen.“
„Ja, aber ich glaube immer noch, dass es nicht richtig ist, Geheimnisse zu haben. Das belastet nur, führt zu Lügen und Verschwiegenheit. Das alles ist nicht gut und kommt irgendwann doch raus“, Britta ist sichtlich aufgeregt.
„Na hör mal, Britta, spätestens aber mit der Pubertät beginnt es doch alles damit, etwas für sich zu behalten. Und da beginnen doch auch wahre Freundschaften, wenn man Geheimnisse mit irgendwem teilt.“
„Ja, du hast sie mit mir geteilt. Das stimmt, du hast mich in alles eingeweiht. Ich hatte nichts zum Geheimhalten, was ich mit dir hätte teilen können.“
Britta hat seit dem sechzehnten Lebensjahr eine feste Beziehung mit Tobias, die nur für eine kurze Zeit während des Studiums unterbrochen wurde. Und da gab es wohl auch mal was zwischen Tobias und Josephine, aber das wollte Britta gar nicht so genau wissen. Ab dem sechsten Semester lief dann alles wie am Schnürchen. Britta wechselte von Chemie auf Pharmazie, um mit Tobias, der mit seinem Pharmaziestudium ein paar Semester voraus war, eine gemeinsame Zukunft zu planen. Es folgte die Geburt der Kinder, die Übernahme einer Apotheke im einem kleinen Ort. Das Haus, in dem sie wohnten, befand sich direkt daneben. Das alles bot kaum Gelegenheit, irgendwelche Versteckspiele zu spielen, hier, wo jeder jeden kannte.
Bei Josephine war das anders. Sie war in einem wohlhabenden Haus aufgewachsen, das Verhältnis zu ihren strengen Eltern war immer distanziert und kompliziert. Nicht nur die ersten Beziehungen zu Jungs in der Schulzeit mussten geheim bleiben, später auch die zu Männern, weil sie nicht in das Wunschbild ihrer Eltern passen. Und das hatte sich bis heute in gewisser Weise fortgesetzt.
„Und wie ist dein augenblicklicher Beziehungsstatus?“ fragt Britta frei heraus.
„Etwas kompliziert, da ist einerseits eine langjährige Beziehung zu einem verheirateten Mann, aber wir sehen uns nur selten. Wenn er auf angeblicher Weiterbildungsreisen ist, dann sind wir beide in Wirklichkeit zusammen auf Reisen. Dabei wird es wohl auch bleiben, er hat jedenfalls nicht vor, sich von seiner Familie zu trennen. Na ja, ich hab nebenher noch was laufen, mit einem jüngeren alleinerziehender Vater. Aber das darf seine 15jährige Tochter nicht wissen.“
„Wissen die Männer voneinander?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Und wann willst du es ihnen sagen“, fragt Britta mit strengem Gesicht.
„Gar nicht“, ist Josephines abrupte Antwort.
„Ich stelle mir das fürchterlich belastend vor“, hakt Britta nach.
„Kommt drauf an, es hat auch Vorteile.“
„Ich könnte das nicht.“
„Ich weiß, liebe Britta“, schießt es Josephine durch den Kopf, „es reicht ja auch, wenn dein Mann Tobias es kann.“
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Versteckspiel
WIE
„Hast du nie irgendwas verstecken müssen in deinem Leben?“, fragt Josephine ihre beste Freundin Britta. Auch wenn sie schon seit langem in großer Entfernung zueinander wohnen, sprechen sie sich doch regelmäßig.
„Nein, nicht das ich wüsste, es sei denn, ich habe es nicht bemerkt.“
„Hör mal, wir haben zusammen die Schulbank gedrückt, wir waren zusammen im Konfirmandenunterricht, haben zusammen uns durchs Abitur gepfuscht.“
„Muss man denn Versteckspiele haben? Ich meine jetzt nicht nur Affären, auch berufliche, gesundheitliche oder finanzielle Probleme?“ fragt Britta zurück.
„Normal nicht“ , antwortet Josephine, „aber kommt schon öfters vor. Ich meine, du so als Apothekerin hinter der Verkaufstheke, und bei deinen Nachtdiensten, das dürftest du doch so manches Versteckspiel mitkriegen.“
„Ja, aber ich glaube immer noch, dass es nicht richtig ist, Geheimnisse zu haben. Das belastet nur, führt zu Lügen und Verschwiegenheit. Das alles ist nicht gut und kommt irgendwann doch raus“, Britta ist sichtlich aufgeregt.
„Na hör mal, Britta, spätestens aber mit der Pubertät beginnt es doch alles damit, etwas für sich zu behalten. Und da beginnen doch auch wahre Freundschaften, wenn man Geheimnisse mit irgendwem teilt.“
„Ja, du hast sie mit mir geteilt. Das stimmt, du hast mich in alles eingeweiht. Ich hatte nichts zum Geheimhalten, was ich mit dir hätte teilen können.“
Britta hat seit dem sechzehnten Lebensjahr eine feste Beziehung mit Tobias, die nur für eine kurze Zeit während des Studiums unterbrochen wurde. Und da gab es wohl auch mal was zwischen Tobias und Josephine, aber das wollte Britta gar nicht so genau wissen. Ab dem sechsten Semester lief dann alles wie am Schnürchen. Britta wechselte von Chemie auf Pharmazie, um mit Tobias, der mit seinem Pharmaziestudium ein paar Semester voraus war, eine gemeinsame Zukunft zu planen. Es folgte die Geburt der Kinder, die Übernahme einer Apotheke im einem kleinen Ort. Das Haus, in dem sie wohnten, befand sich direkt daneben. Das alles bot kaum Gelegenheit, irgendwelche Versteckspiele zu spielen, hier, wo jeder jeden kannte.
Bei Josephine war das anders. Sie war in einem wohlhabenden Haus aufgewachsen, das Verhältnis zu ihren strengen Eltern war immer distanziert und kompliziert. Nicht nur die ersten Beziehungen zu Jungs in der Schulzeit mussten geheim bleiben, später auch die zu Männern, weil sie nicht in das Wunschbild ihrer Eltern passen. Und das hatte sich bis heute in gewisser Weise fortgesetzt.
„Und wie ist dein augenblicklicher Beziehungsstatus?“ fragt Britta frei heraus.
„Etwas kompliziert, da ist einerseits eine langjährige Beziehung zu einem verheirateten Mann, aber wir sehen uns nur selten. Wenn er auf angeblicher Weiterbildungsreisen ist, dann sind wir beide in Wirklichkeit zusammen auf Reisen. Dabei wird es wohl auch bleiben, er hat jedenfalls nicht vor, sich von seiner Familie zu trennen. Na ja, ich hab nebenher noch was laufen, mit einem jüngeren alleinerziehender Vater. Aber das darf seine 15jährige Tochter nicht wissen.“
„Wissen die Männer voneinander?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Und wann willst du es ihnen sagen“, fragt Britta mit strengem Gesicht.
„Gar nicht“, ist Josephines abrupte Antwort.
„Ich stelle mir das fürchterlich belastend vor“, hakt Britta nach.
„Kommt drauf an, es hat auch Vorteile.“
„Ich könnte das nicht.“
„Ich weiß, liebe Britta“, schießt es Josephine durch den Kopf, „es reicht ja auch, wenn dein Mann Tobias es kann.“