Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Jägersauce
WIE
Die Wanderung in der Eifel war ein voller Erfolg, und alle freuen sich über das anschließende Essen im Dorflokal, das einzige, von dem man auf dem Handy erfahren konnte, dass es durchgehend warme Küche gibt.
Als sie dann wenig später den schweren Windfang hinter der Eingangstür beiseite schieben, empfängst sie der Geruch typischer ländlicher Esskultur: eine Mischung aus Bier, gutbürgerlicher Würze, kombiniert mir etwas Putzmittelgeruch. Dazu lange Reihen von Tischen, allesamt gleich dekoriert. Die Räumlichkeiten reichen aus, um mehrere Reisebusladungen zu bewirten. Es dauert etwas, bis man sich für einen Tisch entschieden hat. Man will schließlich nicht im Windzug sitzen, auch nicht zu nah bei der Toilette, man will genug Platz haben für Rucksack und Jacken, aber der Tisch soll nicht so groß sein, dass sich womöglich noch andere Gäste dazusetzen. Dabei sind nur wenige Gäste anwesend, die die vier Neuankömmlinge in der farbenfrohen Outdoor-Kleidung beobachten.
Es dauert etwas länger, bis der Kellner erscheint und vier eingeschweißte Speisekarten, leicht klebrig, am Tisch verteilt. Mit einem kleinen Papierblock in der Hand postiert er sich vor den Tisch:
„Was wünschen die Herrschaften denn zu trinken?“ Doch schon da stellt sich raus, dass nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann. Statt Ingwertee gibt es nur Pfefferminztee aus dem Beutel, ohne frische Minze, statt Rhabarberschorle Apfelsaftschorle, beim alkoholfreien Bier gibt es nur eine Sorte und statt eines französischen trockenen Weißweins nur einen Halbtrockenen von der Mosel, ausschließlich in Null-Zweier Gläsern, keine Null-Einser.
Als die Getränke auf dem Tisch stehen, wird nochmals das Blöckchen gezückt, um die Essenswünsche zu notieren: „Was wünschen sie denn zu speisen?“
Doch auch diese Frage löst Gegenfragen aus. Unter anderem geht es darum, ob dieses oder jenes Gericht auch mit anderen Beilagen zu kombinieren sei, statt Kroketten lieber selbstgemachte Fritten, statt Kartoffeln lieber Reis, der Beilagensalat bitte ausschließlich mit frischem Sachen, alles mit Konservierungsstoffen bitte weglassen. Es werden weitere Nachfragen gestellt, ob das Fleisch frisch sei, hier aus der Gegend komme, biologisch oder nur gewöhnlich, ob der Fisch hier geangelt oder einfach nur gefroren sei. Dann die Frage nach der Größe der Portionen. Anders als bei anderen Gästen, die mit dem Bus, Auto oder Motorrad unterwegs sind, wünschen sich diese vier Gäste vor allem kleine Portionen. Zum Schluss geht es um die Wahl des Dressings beim Beilagensalat. Der Kellner notiert alles oder tut wenigstens so und erklärt mit wenig begeisterter Stimme, dass er das mit der Küche abklären müsse.
Die vier Gäste unterhalten sich weiter über Esslokale. Es geht um solche, die sie in letzter Zeit besucht haben, es werden Vorzüge und Enttäuschungen ausgetauscht, es wird beschrieben, wie es hätte schmecken müssen, wenn da nicht immer wieder diese falschen Angaben in Speisekarten wären.
Da kommt der Kellner mit der Antwort aus der Küche zurück, und die fällt kurz aus.
„Auf Grund des unpassenden Wetters gibt es heute nur Bratwurst oder Schnitzel, das nur mit Kroketten, die sind vom Eis. Als Gemüse gibt es nur Erbsen mit Möhrchen und der gemischte Beilagensalat kommt fertig aus dem Glas. Und alles wird ausschließlich mit Jägersoße serviert.“
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Jägersauce
WIE
Die Wanderung in der Eifel war ein voller Erfolg, und alle freuen sich über das anschließende Essen im Dorflokal, das einzige, von dem man auf dem Handy erfahren konnte, dass es durchgehend warme Küche gibt.
Als sie dann wenig später den schweren Windfang hinter der Eingangstür beiseite schieben, empfängst sie der Geruch typischer ländlicher Esskultur: eine Mischung aus Bier, gutbürgerlicher Würze, kombiniert mir etwas Putzmittelgeruch. Dazu lange Reihen von Tischen, allesamt gleich dekoriert. Die Räumlichkeiten reichen aus, um mehrere Reisebusladungen zu bewirten. Es dauert etwas, bis man sich für einen Tisch entschieden hat. Man will schließlich nicht im Windzug sitzen, auch nicht zu nah bei der Toilette, man will genug Platz haben für Rucksack und Jacken, aber der Tisch soll nicht so groß sein, dass sich womöglich noch andere Gäste dazusetzen. Dabei sind nur wenige Gäste anwesend, die die vier Neuankömmlinge in der farbenfrohen Outdoor-Kleidung beobachten.
Es dauert etwas länger, bis der Kellner erscheint und vier eingeschweißte Speisekarten, leicht klebrig, am Tisch verteilt. Mit einem kleinen Papierblock in der Hand postiert er sich vor den Tisch:
„Was wünschen die Herrschaften denn zu trinken?“ Doch schon da stellt sich raus, dass nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann. Statt Ingwertee gibt es nur Pfefferminztee aus dem Beutel, ohne frische Minze, statt Rhabarberschorle Apfelsaftschorle, beim alkoholfreien Bier gibt es nur eine Sorte und statt eines französischen trockenen Weißweins nur einen Halbtrockenen von der Mosel, ausschließlich in Null-Zweier Gläsern, keine Null-Einser.
Als die Getränke auf dem Tisch stehen, wird nochmals das Blöckchen gezückt, um die Essenswünsche zu notieren: „Was wünschen sie denn zu speisen?“
Doch auch diese Frage löst Gegenfragen aus. Unter anderem geht es darum, ob dieses oder jenes Gericht auch mit anderen Beilagen zu kombinieren sei, statt Kroketten lieber selbstgemachte Fritten, statt Kartoffeln lieber Reis, der Beilagensalat bitte ausschließlich mit frischem Sachen, alles mit Konservierungsstoffen bitte weglassen. Es werden weitere Nachfragen gestellt, ob das Fleisch frisch sei, hier aus der Gegend komme, biologisch oder nur gewöhnlich, ob der Fisch hier geangelt oder einfach nur gefroren sei. Dann die Frage nach der Größe der Portionen. Anders als bei anderen Gästen, die mit dem Bus, Auto oder Motorrad unterwegs sind, wünschen sich diese vier Gäste vor allem kleine Portionen. Zum Schluss geht es um die Wahl des Dressings beim Beilagensalat. Der Kellner notiert alles oder tut wenigstens so und erklärt mit wenig begeisterter Stimme, dass er das mit der Küche abklären müsse.
Die vier Gäste unterhalten sich weiter über Esslokale. Es geht um solche, die sie in letzter Zeit besucht haben, es werden Vorzüge und Enttäuschungen ausgetauscht, es wird beschrieben, wie es hätte schmecken müssen, wenn da nicht immer wieder diese falschen Angaben in Speisekarten wären.
Da kommt der Kellner mit der Antwort aus der Küche zurück, und die fällt kurz aus.
„Auf Grund des unpassenden Wetters gibt es heute nur Bratwurst oder Schnitzel, das nur mit Kroketten, die sind vom Eis. Als Gemüse gibt es nur Erbsen mit Möhrchen und der gemischte Beilagensalat kommt fertig aus dem Glas. Und alles wird ausschließlich mit Jägersoße serviert.“