Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Immer so weiter
WIE
„Und dann?“, fragt Hans.
„Ganz einfach, immer so weiter“, sagt der Intendant.
Ja typisch, denkt Hans, so sind sie, die Intendanten, darum sind sie ja auch auf ihren Posten. Weil sie überzeugt sind, mit so einer Anweisung alles genau geregelt zu haben. Immer so weiter, das lässt sich leicht sagen. Sie haben gerade mal die ersten drei Bilder der gesamten Museumsausstellung positioniert. Und jetzt stehen da noch drei Rollwagen mit über neunzig Bildern, die in sechs Räumen aufgehangen werden müssen. Und der Chef meint einfach nur, immer so weiter.
Hans holt weitere Bilder vom Rollwagen, löst die Noppenfolie, während er überlegt, wie er jetzt Reihenfolge und Aufteilung für alle Räume hinbekommt, denn die ist noch gar nicht festgelegt. Der Chef hat einfach nur das erst beste Bild neben dem Eingang positioniert mit den Worten: „Das ist doch ein hervorragendes Bild für den Anfang“, dann ein zweites daneben platziert voller Überzeugung. „Das ist doch wunderbar als Übergangsbild geeignet, damit haben wir gleich einen perfekten Einstieg in die Ausstellung“.
Das dritte Bild erscheint Hans an dieser Stelle gar nicht geeignet, aber der Chef hat folgende Begründung: „An dieser Stelle folgt ein kleiner Bruch, sozusagen eine Störung, die den Betrachter wachrüttelt, ihn auffordert sich selber Gedanken zu machen.“
Hans denkt, so kann man immer argumentieren, entweder es passt bestens, und wenn es nicht passt, ist es ein bewusst gesetzter Bruch. Aber das sagt er nicht laut, und der Chef doziert weiter: „Und genau da setzen wir an, Überraschung, Unterbrechung, Bilder nicht einfach nur konsumieren, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen, sich ihnen entgegenstellen, sich als Betrachter einbringen, selber aktiv werden.“
In dem Augenblick klingelt das Handy, mit einem kurzen Blick checkt der Chef die Anruferin und verabschiedet sich mit den Worten: „Da habe ich die Ausstellungsrede ja schon fast zusammen, ich werde mich mal zurückziehen und ein paar Notizen machen."
Hans ist es nur recht. Auch wenn sich der Chef später als Kurator der Ausstellung feiern lassen und von der ausgeklügelten Reihenfolge und Hängung schwärmen wird, von der Raffinesse, die sowohl eine lineare als auch eine zufällige Betrachtung erlaubt mit unzähligen Bezügen und Verbindungen. Dabei wurde die komplette Ausstellung aus dem Museum Mannheim übernommen, und mit dem Hinweis „Immer so weiter“ war seine kuratorische Arbeit getan. Als alles hing, ist er dann nochmal mit der neuen Volontärin aufgetaucht, um von seiner genialen Hängung zu schwärmen.
Hans muss an die Bewerbung denken, die zuhause auf seinem Schreibtisch liegt. Die wird er jetzt abschicken, auch wenn es nur um die Leitung eines kleinen Kunstvereins weit außerhalb geht. Endlich auf einem Leitungsposten sein. Und dann wird jede Entscheidung von ihm, sei sie noch so spontan, eine reife Überlegung sein oder auch eine geniale Intuition. Und alle Mitarbeiter müssen ihm glauben und sich damit abfinden, wenn er anordnet: „Immer so weiter.“
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Immer so weiter
WIE
„Und dann?“, fragt Hans.
„Ganz einfach, immer so weiter“, sagt der Intendant.
Ja typisch, denkt Hans, so sind sie, die Intendanten, darum sind sie ja auch auf ihren Posten. Weil sie überzeugt sind, mit so einer Anweisung alles genau geregelt zu haben. Immer so weiter, das lässt sich leicht sagen. Sie haben gerade mal die ersten drei Bilder der gesamten Museumsausstellung positioniert. Und jetzt stehen da noch drei Rollwagen mit über neunzig Bildern, die in sechs Räumen aufgehangen werden müssen. Und der Chef meint einfach nur, immer so weiter.
Hans holt weitere Bilder vom Rollwagen, löst die Noppenfolie, während er überlegt, wie er jetzt Reihenfolge und Aufteilung für alle Räume hinbekommt, denn die ist noch gar nicht festgelegt. Der Chef hat einfach nur das erst beste Bild neben dem Eingang positioniert mit den Worten: „Das ist doch ein hervorragendes Bild für den Anfang“, dann ein zweites daneben platziert voller Überzeugung. „Das ist doch wunderbar als Übergangsbild geeignet, damit haben wir gleich einen perfekten Einstieg in die Ausstellung“.
Das dritte Bild erscheint Hans an dieser Stelle gar nicht geeignet, aber der Chef hat folgende Begründung: „An dieser Stelle folgt ein kleiner Bruch, sozusagen eine Störung, die den Betrachter wachrüttelt, ihn auffordert sich selber Gedanken zu machen.“
Hans denkt, so kann man immer argumentieren, entweder es passt bestens, und wenn es nicht passt, ist es ein bewusst gesetzter Bruch. Aber das sagt er nicht laut, und der Chef doziert weiter: „Und genau da setzen wir an, Überraschung, Unterbrechung, Bilder nicht einfach nur konsumieren, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen, sich ihnen entgegenstellen, sich als Betrachter einbringen, selber aktiv werden.“
In dem Augenblick klingelt das Handy, mit einem kurzen Blick checkt der Chef die Anruferin und verabschiedet sich mit den Worten: „Da habe ich die Ausstellungsrede ja schon fast zusammen, ich werde mich mal zurückziehen und ein paar Notizen machen."
Hans ist es nur recht. Auch wenn sich der Chef später als Kurator der Ausstellung feiern lassen und von der ausgeklügelten Reihenfolge und Hängung schwärmen wird, von der Raffinesse, die sowohl eine lineare als auch eine zufällige Betrachtung erlaubt mit unzähligen Bezügen und Verbindungen. Dabei wurde die komplette Ausstellung aus dem Museum Mannheim übernommen, und mit dem Hinweis „Immer so weiter“ war seine kuratorische Arbeit getan. Als alles hing, ist er dann nochmal mit der neuen Volontärin aufgetaucht, um von seiner genialen Hängung zu schwärmen.
Hans muss an die Bewerbung denken, die zuhause auf seinem Schreibtisch liegt. Die wird er jetzt abschicken, auch wenn es nur um die Leitung eines kleinen Kunstvereins weit außerhalb geht. Endlich auf einem Leitungsposten sein. Und dann wird jede Entscheidung von ihm, sei sie noch so spontan, eine reife Überlegung sein oder auch eine geniale Intuition. Und alle Mitarbeiter müssen ihm glauben und sich damit abfinden, wenn er anordnet: „Immer so weiter.“