Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Ich? Niemals!
RAU
Wieder mal ein Abend mit ihrer Schwester, nur alle zwei, drei Monate schaffen sie das, obwohl sie in derselben Stadt wohnen. Essen bei einem kleinen Spanier und Reden über Dies und Das, über Job, Männer und Kinder. Für Politik reicht meist die Zeit nicht mehr, aber da sind sie sich eh einig.
Die blonde Ina und die dunkelhaarige Charlotte, wie Vanille-und Schokoladeneis seid ihr, hat Vater immer gesagt, meine beiden Lieblingssorten. Nur sie beide, Vanille und Schoko abends beim Spanier. Heute wirkt Ina leicht gereizt, genervt irgendwie. Mit hektischem Blick und Falten auf der Stirn.
„Alles klar“, fragt Charlotte.
„Passt schon.“
Also Alarmstufe eins, denkt Charlotte und sagt erstmal nichts mehr. Ihre Schwester hasst es ausgefragt zu werden, sondern möchte selber bestimmen, wann und ob sie was erzählt. So essen sie eine Weile vor sich hin und trinken vom roten Wein.
„Maries“ Freund möchte mit ihr in einen speziellen Club, der ist gerade megaangesagt, von überall fliegen sie ein, um dorthin zu gehen. Nicht jeder kommt da wohl rein“, sagt Ina dann und dreht ihr Weinglas zwischen den Fingern.
Marie ist Inas jüngste Tochter, ihr Nesthäkchen nach drei Jungs, Anfang zwanzig und jobbt beim Theater.
„Ein Club zum Tanzen und mit dunklen Räumen für Sex, auch mit anderen.“
„Und das erzählt sie dir?“, fragt Charlotte und muss sich zwingen, nicht allzu zu überrascht zu wirken.
„Warum nicht?“
„Als Mutter die beste Freundin zu sein, du weißt, was ich davon halte“, sagt Charlotte.
„Das sagst du nur, weil du mit deinen beiden Mädchen nicht so gut kannst“, ist Inas Antwort, begleitet von einem leicht spöttischen Zug im Gesicht. Lange um den heißen Brei herumzureden ist noch nie ihr Ding gewesen, vor allem nicht der älteren Schwester gegenüber.
Charlotte schneidet ein Stück vom Lamm ab, schiebt danach Brokkoli in den Mund. Stellt sich laute Musik und zappelnde, zuckende Menschen in schummrigen Räumen vor, dann nackte junge Körper ineinander verflochten, über- und untereinander, im Rhythmus der Musik in vollkommener Dunkelheit.
„Wird sie mitgehen, in diesen Club?“, fragt sie dann.
„Weiß nicht.“
„Und Du? Wärest du früher mitgegangen?“, fragt sie weiter.
„Ich? Niemals! Und Jörg hätte so was auch nie gewollt“, sagt Ina einigermaßen entrüstet und legt das Besteck ab, nimmt einen Schluck Wein und sieht durch ihre Schwester hindurch.
Seit fast dreißig Jahren ist sie mit diesem elendigen Rechthaber und Dauernörgler verheiratet, wie sie das aushält, ist Charlotte ein Rätsel.
„Sicher?“, hakt sie nach.
„Du wieder, immer deine Spitzen gegen ihn. Ich kann sie nicht mehr hören. Dein Konrad würde gar nicht wissen, dass es so etwas überhaupt gibt, und zum Glück gab es das zu unserer Zeit ja auch nicht.“
Da hast du recht, denkt Charlotte, das mit Konrad, und dass es so etwas früher nicht gab. Obwohl, vor Konrad gab es David in ihrem Leben, das ein ziemlich anderes war als das mit Konrad. David hätte von so einem Club gewusst und sie vielleicht auch gefragt mit zu kommen. Und ja, neugierig ist sie immer gewesen. Und auf einmal weiß sie nicht mehr so recht, wie sie das jetzt alles wirklich findet, das mit Marie und dem Club, mit David und Konrad und ihr.
„Noch einen Wein?“, fragt sie dann, um nicht weiter zu grübeln.
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Ich? Niemals!
RAU
Wieder mal ein Abend mit ihrer Schwester, nur alle zwei, drei Monate schaffen sie das, obwohl sie in derselben Stadt wohnen. Essen bei einem kleinen Spanier und Reden über Dies und Das, über Job, Männer und Kinder. Für Politik reicht meist die Zeit nicht mehr, aber da sind sie sich eh einig.
Die blonde Ina und die dunkelhaarige Charlotte, wie Vanille-und Schokoladeneis seid ihr, hat Vater immer gesagt, meine beiden Lieblingssorten. Nur sie beide, Vanille und Schoko abends beim Spanier. Heute wirkt Ina leicht gereizt, genervt irgendwie. Mit hektischem Blick und Falten auf der Stirn.
„Alles klar“, fragt Charlotte.
„Passt schon.“
Also Alarmstufe eins, denkt Charlotte und sagt erstmal nichts mehr. Ihre Schwester hasst es ausgefragt zu werden, sondern möchte selber bestimmen, wann und ob sie was erzählt. So essen sie eine Weile vor sich hin und trinken vom roten Wein.
„Maries“ Freund möchte mit ihr in einen speziellen Club, der ist gerade megaangesagt, von überall fliegen sie ein, um dorthin zu gehen. Nicht jeder kommt da wohl rein“, sagt Ina dann und dreht ihr Weinglas zwischen den Fingern.
Marie ist Inas jüngste Tochter, ihr Nesthäkchen nach drei Jungs, Anfang zwanzig und jobbt beim Theater.
„Ein Club zum Tanzen und mit dunklen Räumen für Sex, auch mit anderen.“
„Und das erzählt sie dir?“, fragt Charlotte und muss sich zwingen, nicht allzu zu überrascht zu wirken.
„Warum nicht?“
„Als Mutter die beste Freundin zu sein, du weißt, was ich davon halte“, sagt Charlotte.
„Das sagst du nur, weil du mit deinen beiden Mädchen nicht so gut kannst“, ist Inas Antwort, begleitet von einem leicht spöttischen Zug im Gesicht. Lange um den heißen Brei herumzureden ist noch nie ihr Ding gewesen, vor allem nicht der älteren Schwester gegenüber.
Charlotte schneidet ein Stück vom Lamm ab, schiebt danach Brokkoli in den Mund. Stellt sich laute Musik und zappelnde, zuckende Menschen in schummrigen Räumen vor, dann nackte junge Körper ineinander verflochten, über- und untereinander, im Rhythmus der Musik in vollkommener Dunkelheit.
„Wird sie mitgehen, in diesen Club?“, fragt sie dann.
„Weiß nicht.“
„Und Du? Wärest du früher mitgegangen?“, fragt sie weiter.
„Ich? Niemals! Und Jörg hätte so was auch nie gewollt“, sagt Ina einigermaßen entrüstet und legt das Besteck ab, nimmt einen Schluck Wein und sieht durch ihre Schwester hindurch.
Seit fast dreißig Jahren ist sie mit diesem elendigen Rechthaber und Dauernörgler verheiratet, wie sie das aushält, ist Charlotte ein Rätsel.
„Sicher?“, hakt sie nach.
„Du wieder, immer deine Spitzen gegen ihn. Ich kann sie nicht mehr hören. Dein Konrad würde gar nicht wissen, dass es so etwas überhaupt gibt, und zum Glück gab es das zu unserer Zeit ja auch nicht.“
Da hast du recht, denkt Charlotte, das mit Konrad, und dass es so etwas früher nicht gab. Obwohl, vor Konrad gab es David in ihrem Leben, das ein ziemlich anderes war als das mit Konrad. David hätte von so einem Club gewusst und sie vielleicht auch gefragt mit zu kommen. Und ja, neugierig ist sie immer gewesen. Und auf einmal weiß sie nicht mehr so recht, wie sie das jetzt alles wirklich findet, das mit Marie und dem Club, mit David und Konrad und ihr.
„Noch einen Wein?“, fragt sie dann, um nicht weiter zu grübeln.