Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Ich? Niemals!
WIE
Noch schnell die Terrassenstühle zurechtgerückt, ein paar Gläser, Servietten drapiert, da höre ich schon ein Auto auf dem Kies der Garageneinfahrt. Dem knirschenden Geräusch nach zu urteilen ein schwerer Wagen. Jutta kann es nicht sein, die fährt einen Kleinwagen. Durch die Scheibe der Haustür sehe ich ein großes schwarzes Etwas. Als ich die Tür öffne, rutscht mir nur ein „Hä?“ über die Lippen. Jutta steht vor mir, hinter ihr ein riesiger SUV, Ausführung XXL. So einer mit einer fünf oder sieben hinter dem Markenbuchstaben.
Jutta hüpft mit zwei gefüllten Papiertüten im Arm an mir vorbei. Auf dem Weg zur Terrasse frage ich: „Ist das Deiner?“
„Ja, was dagegen?“
„Ein SUV, hör mal ...“
„Nicht irgendein SUV, sondern ein Siebener, aber E, bitte schön.“
„Ich habe dich immer für eine überzeugte Kleinwagenfahrerin gehalten.“
„Da siehst du mal, wie man sich täuschen kann.“
„Hast du nicht erst letztens auf der Geburtstagsfeier bei Rita groß verkündet: SUV? Ich? Niemals!“
„Niemals habe ich bestimmt nicht gesagt, ich sage nämlich niemals niemals.“
„Ach, das wüsste ich aber“, will ich einwenden, führe aber das Gespräch lieber ganz normal weiter. „Seit wann hast du den? Schicke Farbe. Bist du zufrieden damit? Vor allem wie fährt es sich mit so einem E-SUV?“
„Du, das ist total easy und angenehm. Wann ich immer ich in mein neues Auto steige, selbst wenn es nur um eine kurze Strecke geht, denke ich, ich brauch kein schlechtes Gewissen zu haben.“
„Das ist ja Klasse“, sage ich und wiederhole leise für mich, „selbst wenn ich nur eine kurze Strecke fahre, also quasi Fahrradstrecke.“
„Du, ich habe jetzt für mich das Waldbaden entdeckt. Hast du das schon mal probiert?“, fragt Jutta nach einer Weile.
„Nein“, entgegne ich kategorisch, „oder sag mir, was ist der Unterschied zwischen Spazierengehen und Waldbaden?“
„Auf jeden Fall braucht man dafür richtigen Wald, nicht nur so ein Wäldchen am Stadtrand. Naturbelassenen Wald, so richtiger Wildwald. So was gibt es ja bei uns gar nicht mehr, alles überzüchtet und überkultiviert.“
„Wildwald, eine interessante Wortschöpfung, wie auch Wildpreiselbeere, Wildgulasch oder Wildleder. Und da kaufst du dir erstmals einen SUV?“
„Ja, die Parkplätze in solchen Wildwäldern sind nicht mit Asphalt zugepflastert. Manchmal gibt es sogar gar keine Parkplätze und dann musst du wild parken. Stell dir mal vor, ich bleibe da mit meinem Auto stecken, so gegen Abend, wenn es bereits dämmert.“
„Das wäre fatal“ antworte ich verständnisvoll.
Aber da klingelt es bereits wieder. Es sind Rita und Jörg. Dass Sie sich letztes Jahr einen SUV gekauft haben, weiß ich bereits. Auch, dass sie das Sammeln von Wildpilzen als Hobby für sich neu entdeckt haben. Noch während sie sich mit der Holzkiste Biogemüse an mir vorbei drücken, äußere ich ziemlich spontan: „Ich habe mir übrigens überlegt, auch einen SUV anzuschaffen.“
„Du? Hast du nicht erst neulich behauptet SUV? Ich? Niemals!“
„Ja schon, aber jetzt wo die Enkel öfters zu Besuch kommen, wollte ich mit ihnen Kastanienfigürchen basteln, so mit Streichhölzern und allem drum und dran. Und da brauchen wir auch echtes Moos. Und da dachte ich, Kastanien und Moos, die sind oft nur an recht unzugänglichen Stellen zu finden, da wäre so ein SUV nicht verkehrt.“
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Ich? Niemals!
WIE
Noch schnell die Terrassenstühle zurechtgerückt, ein paar Gläser, Servietten drapiert, da höre ich schon ein Auto auf dem Kies der Garageneinfahrt. Dem knirschenden Geräusch nach zu urteilen ein schwerer Wagen. Jutta kann es nicht sein, die fährt einen Kleinwagen. Durch die Scheibe der Haustür sehe ich ein großes schwarzes Etwas. Als ich die Tür öffne, rutscht mir nur ein „Hä?“ über die Lippen. Jutta steht vor mir, hinter ihr ein riesiger SUV, Ausführung XXL. So einer mit einer fünf oder sieben hinter dem Markenbuchstaben.
Jutta hüpft mit zwei gefüllten Papiertüten im Arm an mir vorbei. Auf dem Weg zur Terrasse frage ich: „Ist das Deiner?“
„Ja, was dagegen?“
„Ein SUV, hör mal ...“
„Nicht irgendein SUV, sondern ein Siebener, aber E, bitte schön.“
„Ich habe dich immer für eine überzeugte Kleinwagenfahrerin gehalten.“
„Da siehst du mal, wie man sich täuschen kann.“
„Hast du nicht erst letztens auf der Geburtstagsfeier bei Rita groß verkündet: SUV? Ich? Niemals!“
„Niemals habe ich bestimmt nicht gesagt, ich sage nämlich niemals niemals.“
„Ach, das wüsste ich aber“, will ich einwenden, führe aber das Gespräch lieber ganz normal weiter. „Seit wann hast du den? Schicke Farbe. Bist du zufrieden damit? Vor allem wie fährt es sich mit so einem E-SUV?“
„Du, das ist total easy und angenehm. Wann ich immer ich in mein neues Auto steige, selbst wenn es nur um eine kurze Strecke geht, denke ich, ich brauch kein schlechtes Gewissen zu haben.“
„Das ist ja Klasse“, sage ich und wiederhole leise für mich, „selbst wenn ich nur eine kurze Strecke fahre, also quasi Fahrradstrecke.“
„Du, ich habe jetzt für mich das Waldbaden entdeckt. Hast du das schon mal probiert?“, fragt Jutta nach einer Weile.
„Nein“, entgegne ich kategorisch, „oder sag mir, was ist der Unterschied zwischen Spazierengehen und Waldbaden?“
„Auf jeden Fall braucht man dafür richtigen Wald, nicht nur so ein Wäldchen am Stadtrand. Naturbelassenen Wald, so richtiger Wildwald. So was gibt es ja bei uns gar nicht mehr, alles überzüchtet und überkultiviert.“
„Wildwald, eine interessante Wortschöpfung, wie auch Wildpreiselbeere, Wildgulasch oder Wildleder. Und da kaufst du dir erstmals einen SUV?“
„Ja, die Parkplätze in solchen Wildwäldern sind nicht mit Asphalt zugepflastert. Manchmal gibt es sogar gar keine Parkplätze und dann musst du wild parken. Stell dir mal vor, ich bleibe da mit meinem Auto stecken, so gegen Abend, wenn es bereits dämmert.“
„Das wäre fatal“ antworte ich verständnisvoll.
Aber da klingelt es bereits wieder. Es sind Rita und Jörg. Dass Sie sich letztes Jahr einen SUV gekauft haben, weiß ich bereits. Auch, dass sie das Sammeln von Wildpilzen als Hobby für sich neu entdeckt haben. Noch während sie sich mit der Holzkiste Biogemüse an mir vorbei drücken, äußere ich ziemlich spontan: „Ich habe mir übrigens überlegt, auch einen SUV anzuschaffen.“
„Du? Hast du nicht erst neulich behauptet SUV? Ich? Niemals!“
„Ja schon, aber jetzt wo die Enkel öfters zu Besuch kommen, wollte ich mit ihnen Kastanienfigürchen basteln, so mit Streichhölzern und allem drum und dran. Und da brauchen wir auch echtes Moos. Und da dachte ich, Kastanien und Moos, die sind oft nur an recht unzugänglichen Stellen zu finden, da wäre so ein SUV nicht verkehrt.“