Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Hinterhöfe
WIE
Als sie aus dem Taxi steigen, strahlt ihnen die prächtige, klassizistische Hotelfassade entgegen.
„Schatz, wartest du einem Moment, da muss ich gleich ein Foto machen. Das schick ich sofort an unsere Gruppe.“ Sie drückt ihm ihren Koffer in die Hand, zückt umständlich das Handy aus der Handtasche und ist anschließend noch länger mit dem Verschicken des Bildes beschäftigt.
Er bewundert hingegen einen schwarzen Lamborghini, der gerade wegfährt, verkneift es sich aber, ein Foto davon zu machen.
Kurze Zeit später stehen sie in der prunkvollen Hotelhalle mit goldenen Säulen, Palmen, Spiegeln und ledernen Sesseln.
„Wie findest du das Foyer?“, fragt sie sichtlich aufgeregt, als sie im gläsernen Aufzug aufwärts gleiten, "bombastisch, oder? Ist das nicht irre, wie im Kino, Schatz, da unten möchte ich mir dir einen Martini trinken, unbedingt, versprich mir das.“
„Oder auf einen russischen Agenten warten, der mit einer großen Zeitung sein Gesicht abdeckt, der selber auch von einem anderen Agenten beobachtet wird, der auch sein Gesicht hinter Zeitungen versteckt, während beide von einem Kriminalkommissar beobachtet werden …“.
„Hör auf mit dem Quatsch, nur einen Martini, sonst gar nichts.“ Sie schaut in den Spiegel des Aufzugs, während sie sich ihre Haare richtet und mehrmals probiert, ob sie ihre Sonnenbrille besser unten vor den Augen oder oben im Haar tragen soll. „Ich bin gespannt, wie unser Zimmer sein wird. Ich glaube, ich muss, will gar nicht raus, ich finde das Hotel bereits so schön.“
Im vierten Stock angekommen zieht sich der relativ dunkle Gang recht lang, bis sie ihr Zimmer erreichen.
„Findest du es nicht auch etwas düster für so ein teurer Hotel?“, fragt sie.
„Das ist heute modern, so dunkel. Du wirst sehen, um so mehr strahlt gleich unser Zimmer, wenn wir es betreten.“
Als sich nach dem dritten Versuch mit der Schlüsselkarte endlich die Zimmertür öffnet, strahlt erst einmal gar nichts.
“Das haben wir gleich.“ Sie eilt zu den Fenstern, zieht die Innenjalousien hoch, was aber die Helligkeitslage nur unwesentlich verbessert.
Der Blick nach draußen auf den Hinterhof endet nämlich an einer farblosen, fensterlosen Zementwand, der Abstand beträgt keine vier Meter. Das Stückchen Himmel drei Stockwerke weiter oben ist zu klein, um das Wetter beurteilen zu können. Der Blick nach unten zeigt zwei undefinierbare blaue Behälter mit Deckel und einen Gitterwagen, vollgestopft mit gebrauchter Bettwäsche. Der Geruch des Hofs lässt sich bereits erahnen, obwohl das Fenster noch geschlossen ist, genauso wie die Geräuschkulisse.
„Schickst du mal ein Foto von diesem Panorama an die Gruppe?“, schlägt er vor.
„Nicht witzig“, erwidert sie, „aber stell dir mal vor, wir könnten jetzt gerade da unten im Hof einen Mann und eine Frau beobachten, sie mit kurzem Rock, glattem, blondem Haar, etwa einszweiundsiebzig groß, er mit strähnigen dunklen Haaren, leicht schütter und schwarzem Trenchcoat, mittelgroß, rauchend. Und wir beobachten, wie sie sich streiten, doch was sie genau sagen, können wir nicht verstehen.“
„So ein Quatsch“, hält er ihr leicht mürrisch entgegen, „obwohl, vielleicht ist das ja ein neues Geschäftsmodell als Ausstatter für Hotels? So einen Hinterhof mit rotem und blauem Licht zu beleuchten, zwei passend bekleidete Schaufensterpuppen dazu und schon gibt es im Hotelfoyer einiges zu besprechen.“
„Wo sich der Kriminalkommissar zu erkennen gibt und die Hotelgäste befragt, ob ihnen etwas Verdächtiges aufgefallen ist, ob wir was im Hinterhof gesehen haben.“
„Mit einem Martini in der Hand.“
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Hinterhöfe
WIE
Als sie aus dem Taxi steigen, strahlt ihnen die prächtige, klassizistische Hotelfassade entgegen.
„Schatz, wartest du einem Moment, da muss ich gleich ein Foto machen. Das schick ich sofort an unsere Gruppe.“ Sie drückt ihm ihren Koffer in die Hand, zückt umständlich das Handy aus der Handtasche und ist anschließend noch länger mit dem Verschicken des Bildes beschäftigt.
Er bewundert hingegen einen schwarzen Lamborghini, der gerade wegfährt, verkneift es sich aber, ein Foto davon zu machen.
Kurze Zeit später stehen sie in der prunkvollen Hotelhalle mit goldenen Säulen, Palmen, Spiegeln und ledernen Sesseln.
„Wie findest du das Foyer?“, fragt sie sichtlich aufgeregt, als sie im gläsernen Aufzug aufwärts gleiten, "bombastisch, oder? Ist das nicht irre, wie im Kino, Schatz, da unten möchte ich mir dir einen Martini trinken, unbedingt, versprich mir das.“
„Oder auf einen russischen Agenten warten, der mit einer großen Zeitung sein Gesicht abdeckt, der selber auch von einem anderen Agenten beobachtet wird, der auch sein Gesicht hinter Zeitungen versteckt, während beide von einem Kriminalkommissar beobachtet werden …“.
„Hör auf mit dem Quatsch, nur einen Martini, sonst gar nichts.“ Sie schaut in den Spiegel des Aufzugs, während sie sich ihre Haare richtet und mehrmals probiert, ob sie ihre Sonnenbrille besser unten vor den Augen oder oben im Haar tragen soll. „Ich bin gespannt, wie unser Zimmer sein wird. Ich glaube, ich muss, will gar nicht raus, ich finde das Hotel bereits so schön.“
Im vierten Stock angekommen zieht sich der relativ dunkle Gang recht lang, bis sie ihr Zimmer erreichen.
„Findest du es nicht auch etwas düster für so ein teurer Hotel?“, fragt sie.
„Das ist heute modern, so dunkel. Du wirst sehen, um so mehr strahlt gleich unser Zimmer, wenn wir es betreten.“
Als sich nach dem dritten Versuch mit der Schlüsselkarte endlich die Zimmertür öffnet, strahlt erst einmal gar nichts.
“Das haben wir gleich.“ Sie eilt zu den Fenstern, zieht die Innenjalousien hoch, was aber die Helligkeitslage nur unwesentlich verbessert.
Der Blick nach draußen auf den Hinterhof endet nämlich an einer farblosen, fensterlosen Zementwand, der Abstand beträgt keine vier Meter. Das Stückchen Himmel drei Stockwerke weiter oben ist zu klein, um das Wetter beurteilen zu können. Der Blick nach unten zeigt zwei undefinierbare blaue Behälter mit Deckel und einen Gitterwagen, vollgestopft mit gebrauchter Bettwäsche. Der Geruch des Hofs lässt sich bereits erahnen, obwohl das Fenster noch geschlossen ist, genauso wie die Geräuschkulisse.
„Schickst du mal ein Foto von diesem Panorama an die Gruppe?“, schlägt er vor.
„Nicht witzig“, erwidert sie, „aber stell dir mal vor, wir könnten jetzt gerade da unten im Hof einen Mann und eine Frau beobachten, sie mit kurzem Rock, glattem, blondem Haar, etwa einszweiundsiebzig groß, er mit strähnigen dunklen Haaren, leicht schütter und schwarzem Trenchcoat, mittelgroß, rauchend. Und wir beobachten, wie sie sich streiten, doch was sie genau sagen, können wir nicht verstehen.“
„So ein Quatsch“, hält er ihr leicht mürrisch entgegen, „obwohl, vielleicht ist das ja ein neues Geschäftsmodell als Ausstatter für Hotels? So einen Hinterhof mit rotem und blauem Licht zu beleuchten, zwei passend bekleidete Schaufensterpuppen dazu und schon gibt es im Hotelfoyer einiges zu besprechen.“
„Wo sich der Kriminalkommissar zu erkennen gibt und die Hotelgäste befragt, ob ihnen etwas Verdächtiges aufgefallen ist, ob wir was im Hinterhof gesehen haben.“
„Mit einem Martini in der Hand.“