Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Grüne Fee trag uns durch den Winter
WIE
Schon über eine Viertelstunde stehe ich in der offenen Tür des kleinen Woll-Ladens, warte im Frischluftbereich, solange ich noch nicht bedient werde, und lese etwa zum zehnten mal den Satz an der Eingangstür: „Grüne Fee, trag uns durch den Winter.“
Es ist genügend Zeit, um sich mehrmals die Frage zu stellen, was dieser Satz bedeuten soll. Natürlich weiß ich, was er in etwa bedeutet, aber wozu steht er an dieser Ladentür? Das Geschäft trägt auch nicht den Namen „Grüne Fee“, es muss um etwas anderes gehen.
Meine Überlegungen werden durch die Kundinnen, die sich bereits im Laden befinden, weiter beflügelt. Da wird von neuen Farben geschwärmt, die allesamt wunderschön, herrlich oder bezaubernd sind. Dabei zielt die Begeisterung vorrangig auf die vielen, wahnsinnig tollen Grüntöne, die ganz neu sind in dieser Saison, Grün als Hauptfarbe, das sich so hervorragend mit gedämpften Rot-, Braun- oder Lilatönen kombinieren lässt.
Ich bewundere diese Begeisterung, die sich allein durch Wollknäuel auslösen lässt. Die Knäuel werden zwischen den Fingern in der Hand gehalten, immer wieder neu zusammengestellt, um weitere Kombinationen besser beurteilen zu können. Auch geht man immer wieder zur Eingangstür, um alles besser bei Tageslicht beurteilen zu können. Und jedesmal mache ich Platz, schließlich hängt nicht nur der Spruch der grünen Fee an der Tür, sondern auch ein Schild mit der Bitte um 1.5 Meter Abstand und FFP2 Maske.
Für einen Moment frage ich mich, wie das zusammengeht, Coronaregeln und die Bitte an eine Fee, uns durch den Winter zu tragen. Muss man sich nicht für das eine oder das andere entscheiden? Geht beides zusammen? In diesem Geschäft anscheinend ja, denn die meisten Kundinnen tragen keine Maske und halten keinen Abstand, die Ladenbesitzerin selber aber schon.
Vielleicht auch, weil heute ausnahmsweise mal auch ein männlicher Kunde im Laden steht? Wobei ich nicht genau weiß, ob ich mich überhaupt als Kunden bezeichnen soll. Schließlich bin ich nur da, um im Auftrag einer echten Kundin, meiner Frau, das Knäuel einer bestimmten Farbe nachzukaufen. Natürlich habe ich nicht nur ein Stückchen Wolle, sondern auch die entsprechende Banderole griffbereit.
Die Gespräche über die Strickvorhaben der nächsten Wochen, also bis weit über den Winter hinaus, scheinen kein Ende zu nehmen. Mittlerweile kommt es mir nicht mehr abwegig vor, wenn eine einzige Farbe, wie Grün, in der Lage ist durch den Winter zu tragen. Die Begeisterung für Grün scheint in der letzten Viertelstunde auf mich abgefärbt zu haben. Vielleicht wäre ich für einen kurzen Moment sogar bereit an die Existenz von Feen zu glauben.
In diesem Moment kommt die Ladenbesitzerin auf mich zu, nicht ohne ihre Kundinnen, oder sind es ihre Freundinnen, zu fragen, ob sie mich dazwischen nehmen dürfe. Das finde ich sehr aufmerksam. Sie zieht mit Kennerblick mein gewünschtes Knäuel aus dem Regal und ich ertappe ich mich bei der Vorstellung, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben und zu sagen: „Danke, sie sind eine Fee.“
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Grüne Fee trag uns durch den Winter
WIE
Schon über eine Viertelstunde stehe ich in der offenen Tür des kleinen Woll-Ladens, warte im Frischluftbereich, solange ich noch nicht bedient werde, und lese etwa zum zehnten mal den Satz an der Eingangstür: „Grüne Fee, trag uns durch den Winter.“
Es ist genügend Zeit, um sich mehrmals die Frage zu stellen, was dieser Satz bedeuten soll. Natürlich weiß ich, was er in etwa bedeutet, aber wozu steht er an dieser Ladentür? Das Geschäft trägt auch nicht den Namen „Grüne Fee“, es muss um etwas anderes gehen.
Meine Überlegungen werden durch die Kundinnen, die sich bereits im Laden befinden, weiter beflügelt. Da wird von neuen Farben geschwärmt, die allesamt wunderschön, herrlich oder bezaubernd sind. Dabei zielt die Begeisterung vorrangig auf die vielen, wahnsinnig tollen Grüntöne, die ganz neu sind in dieser Saison, Grün als Hauptfarbe, das sich so hervorragend mit gedämpften Rot-, Braun- oder Lilatönen kombinieren lässt.
Ich bewundere diese Begeisterung, die sich allein durch Wollknäuel auslösen lässt. Die Knäuel werden zwischen den Fingern in der Hand gehalten, immer wieder neu zusammengestellt, um weitere Kombinationen besser beurteilen zu können. Auch geht man immer wieder zur Eingangstür, um alles besser bei Tageslicht beurteilen zu können. Und jedesmal mache ich Platz, schließlich hängt nicht nur der Spruch der grünen Fee an der Tür, sondern auch ein Schild mit der Bitte um 1.5 Meter Abstand und FFP2 Maske.
Für einen Moment frage ich mich, wie das zusammengeht, Coronaregeln und die Bitte an eine Fee, uns durch den Winter zu tragen. Muss man sich nicht für das eine oder das andere entscheiden? Geht beides zusammen? In diesem Geschäft anscheinend ja, denn die meisten Kundinnen tragen keine Maske und halten keinen Abstand, die Ladenbesitzerin selber aber schon.
Vielleicht auch, weil heute ausnahmsweise mal auch ein männlicher Kunde im Laden steht? Wobei ich nicht genau weiß, ob ich mich überhaupt als Kunden bezeichnen soll. Schließlich bin ich nur da, um im Auftrag einer echten Kundin, meiner Frau, das Knäuel einer bestimmten Farbe nachzukaufen. Natürlich habe ich nicht nur ein Stückchen Wolle, sondern auch die entsprechende Banderole griffbereit.
Die Gespräche über die Strickvorhaben der nächsten Wochen, also bis weit über den Winter hinaus, scheinen kein Ende zu nehmen. Mittlerweile kommt es mir nicht mehr abwegig vor, wenn eine einzige Farbe, wie Grün, in der Lage ist durch den Winter zu tragen. Die Begeisterung für Grün scheint in der letzten Viertelstunde auf mich abgefärbt zu haben. Vielleicht wäre ich für einen kurzen Moment sogar bereit an die Existenz von Feen zu glauben.
In diesem Moment kommt die Ladenbesitzerin auf mich zu, nicht ohne ihre Kundinnen, oder sind es ihre Freundinnen, zu fragen, ob sie mich dazwischen nehmen dürfe. Das finde ich sehr aufmerksam. Sie zieht mit Kennerblick mein gewünschtes Knäuel aus dem Regal und ich ertappe ich mich bei der Vorstellung, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben und zu sagen: „Danke, sie sind eine Fee.“