Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Graues Gold
RAU
Grau? Ist nicht wirklich ihr Fall. Nicht in Kleiderfragen und auch nicht bei Möbelfronten. Da hat jemand keine Lust auf das ewige Schwarz und möchte es heller, traut aber nicht dem leicht schmutzenden Weiß. Also wird zu Grau gegriffen, das es in unzähligen Schattierungen und Abstufungen von hell bis anthrazit gibt, doch für sie bleiben alle Grautöne unentschieden, kühl und abweisend. Allenfalls denkbar in Kombination mit glänzendem schwarzen Haar, dunkelbraunen Augen und braunem Teint, aber wer hat das schon.
Gold! Da strömt es doch gleich freundlich herüber, das sieht warm aus und fühlt sich auch so an in allen Variationen, die liebste ist ihr das satte, warme Rotgold. Zu Grau passt es wie die Fünf zur Vier, nämlich gar nicht. Grau schreit nach Silber und Platin.
Soweit so gut. Als sie die dänischen Freunde endlich mal wieder trifft, und die mitten im letztendlich traurig machenden Gespräch über Tagesgeschehen, allgemeine Weltlage samt mannigfachen Problemen en passant vom grauen Gold erzählen, horcht sie auf. Graues Gold? Diese Kombination würde ihren Augen Schmerzen bereiten, aber in ihren Ohren erzeugt sie einen rundum angenehmen Wohlklang.
"Wie bitte?“
„So heißen sie bei uns, die Alten.“
Also die, die wir hier neumodisch Silver oder Best Agers nennen? All die gerne in Beige eingepackten Senior:innen in bequemen Schuhen, die Silberfische und Weißhaarigen? Alterchen, Silberrücken, Kukidentler, älteres Semester, auch nicht mehr die Jüngsten, alte Knaben, Dinos? Von denen es in unserem Land so viele gibt wie noch nie, denn hinter Japan sind wir das zweitälteste Land der Welt. Letztes Jahr wurden bei uns so viele sechzig Jahre alt (oder jung), wie noch nie.
Graues Gold. Das lässt sie sich erstmal auf der Zunge zergehen. Schätze, auf die man stolz ist und die gebraucht werden. Jede Menge Wissen und Erfahrungen. Freie Zeit. Kümmern um Enkel, Kinder, Bedürftige. Sich einbringen, immer noch neugierig sein, Neues lernen. Jede Menge konservative Wählerstimmen, auch das, aber auch unabhängige und engagierte Mahner:innen für die Zukunft von uns allen. Ebenso werden sie als Problemgruppe dargestellt. Hohe Renten- und Gesundheitskosten, Einsamkeit, drohende Altersarmut. Auch
als kaufkräftige Konsument:innen werden sie hierzulande längst ins wirtschaftliche Visier genommen.
Unsere nordischen Nachbarn waren die Ersten, die dieses breite Spektrum, dieses Potential erkannten. Statt Silver Agers nennen sie die Ü60-jährigen das graue Gold, was für eine Wertschätzung, von der alle was haben, Jung und Alt.
Texte zum Alltäglichen -
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Graues Gold
RAU
Grau? Ist nicht wirklich ihr Fall. Nicht in Kleiderfragen und auch nicht bei Möbelfronten. Da hat jemand keine Lust auf das ewige Schwarz und möchte es heller, traut aber nicht dem leicht schmutzenden Weiß. Also wird zu Grau gegriffen, das es in unzähligen Schattierungen und Abstufungen von hell bis anthrazit gibt, doch für sie bleiben alle Grautöne unentschieden, kühl und abweisend. Allenfalls denkbar in Kombination mit glänzendem schwarzen Haar, dunkelbraunen Augen und braunem Teint, aber wer hat das schon.
Gold! Da strömt es doch gleich freundlich herüber, das sieht warm aus und fühlt sich auch so an in allen Variationen, die liebste ist ihr das satte, warme Rotgold. Zu Grau passt es wie die Fünf zur Vier, nämlich gar nicht. Grau schreit nach Silber und Platin.
Soweit so gut. Als sie die dänischen Freunde endlich mal wieder trifft, und die mitten im letztendlich traurig machenden Gespräch über Tagesgeschehen, allgemeine Weltlage samt mannigfachen Problemen en passant vom grauen Gold erzählen, horcht sie auf. Graues Gold? Diese Kombination würde ihren Augen Schmerzen bereiten, aber in ihren Ohren erzeugt sie einen rundum angenehmen Wohlklang.
"Wie bitte?“
„So heißen sie bei uns, die Alten.“
Also die, die wir hier neumodisch Silver oder Best Agers nennen? All die gerne in Beige eingepackten Senior:innen in bequemen Schuhen, die Silberfische und Weißhaarigen? Alterchen, Silberrücken, Kukidentler, älteres Semester, auch nicht mehr die Jüngsten, alte Knaben, Dinos? Von denen es in unserem Land so viele gibt wie noch nie, denn hinter Japan sind wir das zweitälteste Land der Welt. Letztes Jahr wurden bei uns so viele sechzig Jahre alt (oder jung), wie noch nie.
Graues Gold. Das lässt sie sich erstmal auf der Zunge zergehen. Schätze, auf die man stolz ist und die gebraucht werden. Jede Menge Wissen und Erfahrungen. Freie Zeit. Kümmern um Enkel, Kinder, Bedürftige. Sich einbringen, immer noch neugierig sein, Neues lernen. Jede Menge konservative Wählerstimmen, auch das, aber auch unabhängige und engagierte Mahner:innen für die Zukunft von uns allen. Ebenso werden sie als Problemgruppe dargestellt. Hohe Renten- und Gesundheitskosten, Einsamkeit, drohende Altersarmut. Auch
als kaufkräftige Konsument:innen werden sie hierzulande längst ins wirtschaftliche Visier genommen.
Unsere nordischen Nachbarn waren die Ersten, die dieses breite Spektrum, dieses Potential erkannten. Statt Silver Agers nennen sie die Ü60-jährigen das graue Gold, was für eine Wertschätzung, von der alle was haben, Jung und Alt.