Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Gott
WIE
„Was bedeutet für dich Gott?“, fragt sie mich, als wir schweigend in einer kleinen, sehr alten bretonischen Kirche stehen.
„Gott, welchen Gott meinst du?“, frage ich zurück, „meinst du den lieben Gott? Den gab es früher bei uns zu Hause. Der liebe Gott gab mir so ein kindliches Vertrauen, der war vor allem für mich da.
Dieses Gefühl ist immer noch da, wenn ich alleine in einer Kirche bin. Das merke ich auch in dieser alten Kirche ohne Gottesdienst. Meine Eltern haben mit uns Kindern auf Reisen oft Kirchen besucht und in aller Stille betrachtet. Ein gewisser Respekt vor diesen Jahrtausend alten Orten, die sich nahezu zeitlos erhalten haben, ist bis heute geblieben, und vielleicht auch dieser Hauch von Gott.
Jedenfalls war es ein anderer Gott als der, von dem die Menschen später sprachen. Denn da ging meine kindliche Vertrautheit mit Gott schnell verloren. Dieser Gott, der alles sieht, aber nicht alles gut findet, bei dem man besser nichts falsch machen sollte. So war es bei dem Gott, von dem in den Gottesdiensten geredet wurde, die ich in der katholischen Kirche kennenlernte, weil meine Oma mich sonntags mit in die Kirche nahm. Und ihr war alles, was dort geschah, sehr ernst und wichtig, man durfte nichts falsch machen: knien, stehen, hinsetzen, beten, runter gucken, Sätze wiederholen, singen und vieles mehr. Man durfte eben nichts falsch machen, am aller wenigsten die Mütze anlassen, wenn man eine Kirche betrat.
Mein Opa ließ meiner Oma ihren Gott. Er brauchte keinen, er war Mathematik- und Physiklehrer im Ruhestand. Ich hatte damals mehr Respekt vor meinem Opa als vor dem Gott meiner Oma. Mein Opa blieb konsequent jeden Sonntag zu Hause. Er nutzte die Zeit zu Hause am Schreibtisch und las Bücher über das Universum, er hatte den ersten und den zweiten Weltkrieg als Soldat überlebt.
In der Schule kam ein weiterer Gott im Religionsunterricht dazu. Da meiste, was dieser Gott von den Menschen verlangte, wurde jetzt vom Religionslehrer bestimmt. Ihm war es wichtig, möglichst viel von Gottes Worten aus der Bibel auswendig zu lernen. Fehlerfrei und termingerecht.
Im Alter von dreizehn Jahren kam noch ein anderer Gott dazu, beim Konfirmationsunterricht im Gemeinderaum. Genau zu diesem Zeitpunkt erwachte aber auch mein Interesse für Mädchen oder zumindest manche Phantasie darüber. Und erneut stellte sich mir die Frage, ob Gott wirklich alles mitbekommt. Gleichzeitig war ich mittlerweile davon überzeugt, dass der liebe Gott, mein Gott, auch dafür Verständnis hat.
Mit ihm in Kontakt zu sein, kann immer wieder gelingen. Manchmal klappt es aber auch nicht. Während des Zivildienstes musste ich tageweise in einem Nonnenkloster aushelfen. Ab und zu wurde ich auch gerufen, in der Kapelle Arbeiten zu verrichten, weil ich so groß bin und auf Leitern stehen kann. Mit dem Staubwedel musste ich über alles drüber wedeln. Es hat mir nicht gefallen, mich eher gestört, diese profane Seite der Kirche erleben zu müssen. Es hat den Kirchenraum und Gott auch etwas entzaubert. Schade eigentlich.
Und Weihnachten? Welcher Gott von den vielen ist dann da? Da sehe ich Gott als Mann oder doch als Frau oder besser beides zusammen verstört durch Städte, Wohnungen, Geschäfte blicken mit dem Gefühl, nirgendwo wirklich zu Hause und gemeint zu sein. So ist das eben, mit dem transgender.
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Gott
WIE
„Was bedeutet für dich Gott?“, fragt sie mich, als wir schweigend in einer kleinen, sehr alten bretonischen Kirche stehen.
„Gott, welchen Gott meinst du?“, frage ich zurück, „meinst du den lieben Gott? Den gab es früher bei uns zu Hause. Der liebe Gott gab mir so ein kindliches Vertrauen, der war vor allem für mich da.
Dieses Gefühl ist immer noch da, wenn ich alleine in einer Kirche bin. Das merke ich auch in dieser alten Kirche ohne Gottesdienst. Meine Eltern haben mit uns Kindern auf Reisen oft Kirchen besucht und in aller Stille betrachtet. Ein gewisser Respekt vor diesen Jahrtausend alten Orten, die sich nahezu zeitlos erhalten haben, ist bis heute geblieben, und vielleicht auch dieser Hauch von Gott.
Jedenfalls war es ein anderer Gott als der, von dem die Menschen später sprachen. Denn da ging meine kindliche Vertrautheit mit Gott schnell verloren. Dieser Gott, der alles sieht, aber nicht alles gut findet, bei dem man besser nichts falsch machen sollte. So war es bei dem Gott, von dem in den Gottesdiensten geredet wurde, die ich in der katholischen Kirche kennenlernte, weil meine Oma mich sonntags mit in die Kirche nahm. Und ihr war alles, was dort geschah, sehr ernst und wichtig, man durfte nichts falsch machen: knien, stehen, hinsetzen, beten, runter gucken, Sätze wiederholen, singen und vieles mehr. Man durfte eben nichts falsch machen, am aller wenigsten die Mütze anlassen, wenn man eine Kirche betrat.
Mein Opa ließ meiner Oma ihren Gott. Er brauchte keinen, er war Mathematik- und Physiklehrer im Ruhestand. Ich hatte damals mehr Respekt vor meinem Opa als vor dem Gott meiner Oma. Mein Opa blieb konsequent jeden Sonntag zu Hause. Er nutzte die Zeit zu Hause am Schreibtisch und las Bücher über das Universum, er hatte den ersten und den zweiten Weltkrieg als Soldat überlebt.
In der Schule kam ein weiterer Gott im Religionsunterricht dazu. Da meiste, was dieser Gott von den Menschen verlangte, wurde jetzt vom Religionslehrer bestimmt. Ihm war es wichtig, möglichst viel von Gottes Worten aus der Bibel auswendig zu lernen. Fehlerfrei und termingerecht.
Im Alter von dreizehn Jahren kam noch ein anderer Gott dazu, beim Konfirmationsunterricht im Gemeinderaum. Genau zu diesem Zeitpunkt erwachte aber auch mein Interesse für Mädchen oder zumindest manche Phantasie darüber. Und erneut stellte sich mir die Frage, ob Gott wirklich alles mitbekommt. Gleichzeitig war ich mittlerweile davon überzeugt, dass der liebe Gott, mein Gott, auch dafür Verständnis hat.
Mit ihm in Kontakt zu sein, kann immer wieder gelingen. Manchmal klappt es aber auch nicht. Während des Zivildienstes musste ich tageweise in einem Nonnenkloster aushelfen. Ab und zu wurde ich auch gerufen, in der Kapelle Arbeiten zu verrichten, weil ich so groß bin und auf Leitern stehen kann. Mit dem Staubwedel musste ich über alles drüber wedeln. Es hat mir nicht gefallen, mich eher gestört, diese profane Seite der Kirche erleben zu müssen. Es hat den Kirchenraum und Gott auch etwas entzaubert. Schade eigentlich.
Und Weihnachten? Welcher Gott von den vielen ist dann da? Da sehe ich Gott als Mann oder doch als Frau oder besser beides zusammen verstört durch Städte, Wohnungen, Geschäfte blicken mit dem Gefühl, nirgendwo wirklich zu Hause und gemeint zu sein. So ist das eben, mit dem transgender.