Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Geschafft
WIE
Die Bustür schließt mit einem scharfen Zischen, der Bus hebt sich seitlich in Fahrtstellung zurück, während sie mit drei Tüten in der Hand einen Stehplatz sucht, um wenigstens ihre Tüten abstellen zu können. Zwischen fremden Armen durchwurschelnd schafft sie es sich festzuhalten, dann fährt der Bus auch schon los. Ein kleinerer Mann neben ihr meint lächelnd: „Geschafft?“
"Ich hoffe, doch,“ antwortet sie mit einem müden Lächeln. Sie weiß jetzt schon, dass sie drei Dinge vergessen hat.
Zu Hause leert sie in der Küche die große Spülschüssel mit den milchigen Teigresten ins Waschbecken aus, die die Kinder haben stehen lassen, nach ihrem groß angekündigten Plätzchenbacken. Sie spült diverse Plastikschüsseln, Siebe, Holzbretter, Schneebesen, Ausstechformen und zwei Teigrollen. Nachdem sie alles abgetrocknet und an Haken, in Schubladen und Schränken verstaut hat, denkt sie ‚geschafft‘, und sucht die Gerätschaften zusammen, die sie für das nächste Rezept brauchen wird.
Es klingelt, ihre Schwester samt Familie kommt dieses Jahr aus Süddeutschland zu Besuch. Während Ihre Schwester nach kurzer Begrüßung bereits die Küche inspiziert und sich beschwert, dass alles zu eng ist, wenn sie später ihren Nachtisch zuzubereiten will, hilft sie ihrem Schwager das Gepäck ins Haus zu tragen. Erst die Koffer und Klappkisten, dann folgen Weinkartons, Tannenzweige und ein in Folie verpackter Anzug. Er ist aber vor allem damit beschäftigt, die Automatik an der Hecklappe seines Autos zu kontrollieren, weil diese nicht so richtig will.
„Geschafft“, meint er zufrieden, als sich zum Schluss die Klappe von selber schließt.
„Wo ist mein Tesafilm?“ ruft sie, ohne eine Antwort zu erwarten.
Alle drei Rollen werden woanders gebraucht. Auch die Schachtel mit den Geschenkbändern steht nicht da, wo sie sonst immer steht. Sie sucht die zwei kleinen, aber wichtigen Geschenke, die sie im Sommer gekauft hat, und jetzt nicht mehr weiß, wo sie sie versteckt hat. Dafür hat sie aber andere wichtige Kleinigkeiten gefunden, das Stabfeuerzeug, ihr USB-Ladegerät und sogar die Weihnachts-CD, denn die war auch nicht da, wo sie stehen soll. Schnell räumt sie noch das Katzenfutter aus dem Wohnzimmer in den Flur.
„Können wir jetzt endlich mal anstoßen“, heißt es später am gedeckten Tisch, nachdem sie aus der Küche mit der Soßenschüssel kommt.
„Mensch Mama, es ist alles da, wir wollen essen.“
Als sie nach dem ersten Schluck Wein noch einmal aufsteht, heißt es nur: „Jetzt bleib‘ doch mal sitzen, du bist so ungemütlich.“
„Ja wollt ihr keine Preiselbeeren?“, verteidigt sie sich und flitzt schnell in den Keller. Im dunklen, vollgepackten Hausflur denkt sie kurz: „Nächstes Jahr fange ich früher an, dann krieg ich alles geschafft.“
Die Familie der Schwester hat sich zur Spätmesse aufgemacht, auch ihre weniger gläubigen Kinder und ihr Mann haben sich angeschlossen mit den Worten: „Etwas frische Luft und coole Weihnachtsstimmung in der Kirche tun jetzt gut.“
Sie deckt den Tisch ab, räumt alles in der Spülmaschine und wählt den Spülgang „extra stark verschmutzt“. Dann sammelt sie die Geschenkpapiere ein, sortiert die Geschenkbänder und löscht die letzten Kerzen, schaltet die Deckenbeleuchtung aus und kontrolliert, ob irgendwo eine Kerzenflamme glimmt. Zum Schluss setzt sie sich auf die Couch, die Katze macht es sich auf ihrem Schoß bequem.
“Na, du bist auch geschafft“, flüstert sie.
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Geschafft
WIE
Die Bustür schließt mit einem scharfen Zischen, der Bus hebt sich seitlich in Fahrtstellung zurück, während sie mit drei Tüten in der Hand einen Stehplatz sucht, um wenigstens ihre Tüten abstellen zu können. Zwischen fremden Armen durchwurschelnd schafft sie es sich festzuhalten, dann fährt der Bus auch schon los. Ein kleinerer Mann neben ihr meint lächelnd: „Geschafft?“
"Ich hoffe, doch,“ antwortet sie mit einem müden Lächeln. Sie weiß jetzt schon, dass sie drei Dinge vergessen hat.
Zu Hause leert sie in der Küche die große Spülschüssel mit den milchigen Teigresten ins Waschbecken aus, die die Kinder haben stehen lassen, nach ihrem groß angekündigten Plätzchenbacken. Sie spült diverse Plastikschüsseln, Siebe, Holzbretter, Schneebesen, Ausstechformen und zwei Teigrollen. Nachdem sie alles abgetrocknet und an Haken, in Schubladen und Schränken verstaut hat, denkt sie ‚geschafft‘, und sucht die Gerätschaften zusammen, die sie für das nächste Rezept brauchen wird.
Es klingelt, ihre Schwester samt Familie kommt dieses Jahr aus Süddeutschland zu Besuch. Während Ihre Schwester nach kurzer Begrüßung bereits die Küche inspiziert und sich beschwert, dass alles zu eng ist, wenn sie später ihren Nachtisch zuzubereiten will, hilft sie ihrem Schwager das Gepäck ins Haus zu tragen. Erst die Koffer und Klappkisten, dann folgen Weinkartons, Tannenzweige und ein in Folie verpackter Anzug. Er ist aber vor allem damit beschäftigt, die Automatik an der Hecklappe seines Autos zu kontrollieren, weil diese nicht so richtig will.
„Geschafft“, meint er zufrieden, als sich zum Schluss die Klappe von selber schließt.
„Wo ist mein Tesafilm?“ ruft sie, ohne eine Antwort zu erwarten.
Alle drei Rollen werden woanders gebraucht. Auch die Schachtel mit den Geschenkbändern steht nicht da, wo sie sonst immer steht. Sie sucht die zwei kleinen, aber wichtigen Geschenke, die sie im Sommer gekauft hat, und jetzt nicht mehr weiß, wo sie sie versteckt hat. Dafür hat sie aber andere wichtige Kleinigkeiten gefunden, das Stabfeuerzeug, ihr USB-Ladegerät und sogar die Weihnachts-CD, denn die war auch nicht da, wo sie stehen soll. Schnell räumt sie noch das Katzenfutter aus dem Wohnzimmer in den Flur.
„Können wir jetzt endlich mal anstoßen“, heißt es später am gedeckten Tisch, nachdem sie aus der Küche mit der Soßenschüssel kommt.
„Mensch Mama, es ist alles da, wir wollen essen.“
Als sie nach dem ersten Schluck Wein noch einmal aufsteht, heißt es nur: „Jetzt bleib‘ doch mal sitzen, du bist so ungemütlich.“
„Ja wollt ihr keine Preiselbeeren?“, verteidigt sie sich und flitzt schnell in den Keller. Im dunklen, vollgepackten Hausflur denkt sie kurz: „Nächstes Jahr fange ich früher an, dann krieg ich alles geschafft.“
Die Familie der Schwester hat sich zur Spätmesse aufgemacht, auch ihre weniger gläubigen Kinder und ihr Mann haben sich angeschlossen mit den Worten: „Etwas frische Luft und coole Weihnachtsstimmung in der Kirche tun jetzt gut.“
Sie deckt den Tisch ab, räumt alles in der Spülmaschine und wählt den Spülgang „extra stark verschmutzt“. Dann sammelt sie die Geschenkpapiere ein, sortiert die Geschenkbänder und löscht die letzten Kerzen, schaltet die Deckenbeleuchtung aus und kontrolliert, ob irgendwo eine Kerzenflamme glimmt. Zum Schluss setzt sie sich auf die Couch, die Katze macht es sich auf ihrem Schoß bequem.
“Na, du bist auch geschafft“, flüstert sie.