Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Gern geschehen
RAU
Die Interviewte im Radio, eine Ikone des deutschen Theaters, verabschiedet sich mit diesen Worten vom Journalisten. Ungewöhnlich, denkt Charlotte, diese beiden Wörter hat sie schon sehr lange nicht mehr gehört. Früher war der Satz gang und gäbe, so scheint es ihr zumindest, aber da kann durchaus die übliche Verklärung mitspielen. Früher war eben alles besser, und heute wird es immer schlimmer. So hört und liest man es überall. Ein bisschen ist ja schon was dran.
Häufig fragt sie sich, wie andere so durch ihre Tage kommen. Genug zu tun gibt es ja immer, meistens sogar mehr als genug. Auch Langweiliges, Lästiges, Ärgerliches und ja auch Beängstigendes. Augen zu und durch? Bloß nicht, lieber mit offenem Visier durchs Leben gehen, ist seit jeher ihre Devise.
Zeitlebens fühlt sie sich glücklich, so zu denken und zu leben, ohne sich wirklich Gedanken darüber zu machen. Es scheint einfach in ihren Genen zu liegen, oder ist es die familiäre Prägung? Ist ja eigentlich auch egal. Wenn sie nach einem langen Tag abends dann endlich im Bett liegt und den Tag Revue passieren lässt, fällt ihr immer Einiges ein, was doch ziemlich gut gelaufen ist. Beim Aufschließen ihres Fahrrades den Müllmännern einen schönen Tag gewünscht. Der Frau an der Ampel gesagt, wie schön ihr buntes Kleid ist. Der älteren Dame im Rollstuhl zuerst die Einkäufe aus den Körben aufs Band gelegt, dann in die beiden großen Plastiktaschen gepackt und diese an die Karabiner auf der Rückseite des Rollstuhls gehängt. Der Bäckereiverkäuferin gesagt, wie lecker der Kirschstreuselkuchen wieder geschmeckt hat, der jungen Kollegin ein Kompliment gemacht für ihre gelungene Präsentation. Alles nicht besonders schwierig, sondern genau das Gegenteil. Anderen eine Freude zu machen, ist ziemlich einfach. Und macht gute Laune für den ganzen Tag. ‚Gern geschehen‘ oder ‚da nicht für‘, wie ihr Großvater aus Hamburg oft sagte, denkt sie, löscht das Licht und mümmelt sich in ihre weiche Bettdecke.
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Gern geschehen
RAU
Die Interviewte im Radio, eine Ikone des deutschen Theaters, verabschiedet sich mit diesen Worten vom Journalisten. Ungewöhnlich, denkt Charlotte, diese beiden Wörter hat sie schon sehr lange nicht mehr gehört. Früher war der Satz gang und gäbe, so scheint es ihr zumindest, aber da kann durchaus die übliche Verklärung mitspielen. Früher war eben alles besser, und heute wird es immer schlimmer. So hört und liest man es überall. Ein bisschen ist ja schon was dran.
Häufig fragt sie sich, wie andere so durch ihre Tage kommen. Genug zu tun gibt es ja immer, meistens sogar mehr als genug. Auch Langweiliges, Lästiges, Ärgerliches und ja auch Beängstigendes. Augen zu und durch? Bloß nicht, lieber mit offenem Visier durchs Leben gehen, ist seit jeher ihre Devise.
Zeitlebens fühlt sie sich glücklich, so zu denken und zu leben, ohne sich wirklich Gedanken darüber zu machen. Es scheint einfach in ihren Genen zu liegen, oder ist es die familiäre Prägung? Ist ja eigentlich auch egal. Wenn sie nach einem langen Tag abends dann endlich im Bett liegt und den Tag Revue passieren lässt, fällt ihr immer Einiges ein, was doch ziemlich gut gelaufen ist. Beim Aufschließen ihres Fahrrades den Müllmännern einen schönen Tag gewünscht. Der Frau an der Ampel gesagt, wie schön ihr buntes Kleid ist. Der älteren Dame im Rollstuhl zuerst die Einkäufe aus den Körben aufs Band gelegt, dann in die beiden großen Plastiktaschen gepackt und diese an die Karabiner auf der Rückseite des Rollstuhls gehängt. Der Bäckereiverkäuferin gesagt, wie lecker der Kirschstreuselkuchen wieder geschmeckt hat, der jungen Kollegin ein Kompliment gemacht für ihre gelungene Präsentation. Alles nicht besonders schwierig, sondern genau das Gegenteil. Anderen eine Freude zu machen, ist ziemlich einfach. Und macht gute Laune für den ganzen Tag. ‚Gern geschehen‘ oder ‚da nicht für‘, wie ihr Großvater aus Hamburg oft sagte, denkt sie, löscht das Licht und mümmelt sich in ihre weiche Bettdecke.