Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Genau
RAU
Vor ziemlich genau einem Jahr ist es passiert. Es war es ein Dienstag und relativ schönes Wetter, die Sonne schien schon morgens um acht über die Hausdächer hinunter auf die Straße. Sie fuhr mit dem Rad ins Büro, hatte keinen besonders aufregenden Tag vor sich und wollte abends mit ihrer Schwester essen gehen. Genau, das war der Plan, und dann ging vor ihr rechts die Seitentür des schwarzen Mercedes auf.
Dann ging alles ganz schnell in Bruchteilen von Sekunden, Schrei, Aufprall, Sturz, Schmerzen und dann nichts mehr. Erst im Notarztwagen kam sie irgendwie wieder zu sich, aber auch nicht wirklich. Dachte, in einem Film zu sein, und hörte die Wörter der anderen um sich herum wie hinter einer Wand aus Watte. Richtig wach wurde sie dann in einem Krankenzimmer, da war sie schon operiert worden, lag in einem Bett und konnte sich kaum rühren, allenfalls Kopf und Füße bewegen, immerhin das.
An alles Weitere möchte sie nicht mehr denken, doch heute geht es ihr wieder einigermaßen gut und heute morgen ist sie zum ersten Mal, ja genau, wieder auf ein Rad gestiegen. Konrad hat sie für verrückt erklärt, ihre Schwester auch, aber ausgerechnet Carla, ihre Jüngste, hat sie darin bestärkt und ihr Mut gemacht. Die ehemals so Zarte und Verträumte entwickelt sich immer mehr zu einer mehr als konsequenten jungen Frau.
„Mama, genau deshalb musst du wieder aufs Rad, weil du doch sonst nur mit einem riesengroßen Pott Angst durch die Welt laufen und dich unsicher fühlen wirst. Willst du das?“, hat sie gesagt und ihre Mutter mit ihren großen blauen Augen angesehen.
"Nein, will ich nicht, aber Angst habe ich trotzdem.“
„Die geht aber nicht weg, wenn du ihr weiter Raum gibst. Nur du kannst sie selber wieder kleiner machen“, hat sie geantwortet und geklungen wie eine alte, weise Frau.
„Wo hast Du denn solche Sätze her?“
Carla hat nur kurz gelächelt. „Ach Mama, meinst du, ich habe keine Angst, wenn ich da auf der Straße sitze, und ein schwerer LKW angefahren kommt? All die wütenden Beschimpfungen, die wir uns anhören müssen, meinst du, das alles stecke ich so mir nichts dir nicht einfach weg?“
Ihr blieb nur, den Kopf zu schütteln und dann zum Taschentuch zu greifen, wie peinlich war das denn. „Macht ihr da auch so gemeinsame Schulungen?“
„Wir sind nicht alleine und wir sind gut“, hat ihre Tochter geantwortet und ihre Hand genommen, „du setzt dich wieder auf ein Rad und wirst wieder genauso viel Freude daran haben wie immer. Such' Dir das Rad aus, das du immer schon haben wolltest und fährst dann dem schlimmen Spuk einfach davon.“
“Genau, so mache ich es, gehst du mit zum Fahrradhändler? Natürlich möchte ich wieder eine rote ‚Gazelle‘ haben.“
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Genau
RAU
Vor ziemlich genau einem Jahr ist es passiert. Es war es ein Dienstag und relativ schönes Wetter, die Sonne schien schon morgens um acht über die Hausdächer hinunter auf die Straße. Sie fuhr mit dem Rad ins Büro, hatte keinen besonders aufregenden Tag vor sich und wollte abends mit ihrer Schwester essen gehen. Genau, das war der Plan, und dann ging vor ihr rechts die Seitentür des schwarzen Mercedes auf.
Dann ging alles ganz schnell in Bruchteilen von Sekunden, Schrei, Aufprall, Sturz, Schmerzen und dann nichts mehr. Erst im Notarztwagen kam sie irgendwie wieder zu sich, aber auch nicht wirklich. Dachte, in einem Film zu sein, und hörte die Wörter der anderen um sich herum wie hinter einer Wand aus Watte. Richtig wach wurde sie dann in einem Krankenzimmer, da war sie schon operiert worden, lag in einem Bett und konnte sich kaum rühren, allenfalls Kopf und Füße bewegen, immerhin das.
An alles Weitere möchte sie nicht mehr denken, doch heute geht es ihr wieder einigermaßen gut und heute morgen ist sie zum ersten Mal, ja genau, wieder auf ein Rad gestiegen. Konrad hat sie für verrückt erklärt, ihre Schwester auch, aber ausgerechnet Carla, ihre Jüngste, hat sie darin bestärkt und ihr Mut gemacht. Die ehemals so Zarte und Verträumte entwickelt sich immer mehr zu einer mehr als konsequenten jungen Frau.
„Mama, genau deshalb musst du wieder aufs Rad, weil du doch sonst nur mit einem riesengroßen Pott Angst durch die Welt laufen und dich unsicher fühlen wirst. Willst du das?“, hat sie gesagt und ihre Mutter mit ihren großen blauen Augen angesehen.
"Nein, will ich nicht, aber Angst habe ich trotzdem.“
„Die geht aber nicht weg, wenn du ihr weiter Raum gibst. Nur du kannst sie selber wieder kleiner machen“, hat sie geantwortet und geklungen wie eine alte, weise Frau.
„Wo hast Du denn solche Sätze her?“
Carla hat nur kurz gelächelt. „Ach Mama, meinst du, ich habe keine Angst, wenn ich da auf der Straße sitze, und ein schwerer LKW angefahren kommt? All die wütenden Beschimpfungen, die wir uns anhören müssen, meinst du, das alles stecke ich so mir nichts dir nicht einfach weg?“
Ihr blieb nur, den Kopf zu schütteln und dann zum Taschentuch zu greifen, wie peinlich war das denn. „Macht ihr da auch so gemeinsame Schulungen?“
„Wir sind nicht alleine und wir sind gut“, hat ihre Tochter geantwortet und ihre Hand genommen, „du setzt dich wieder auf ein Rad und wirst wieder genauso viel Freude daran haben wie immer. Such' Dir das Rad aus, das du immer schon haben wolltest und fährst dann dem schlimmen Spuk einfach davon.“
“Genau, so mache ich es, gehst du mit zum Fahrradhändler? Natürlich möchte ich wieder eine rote ‚Gazelle‘ haben.“