Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Genau
WIE
Hans legt die Fernsehzeitung zur Seite: „Mein Gott, die ganzen Tage nichts als Sport, Sport und nochmal Sport.“
„Genau“, hört er Karin sagen, die hinter ihm steht und mit ihrem Handy beschäftigt ist. Hans wechselt etwas unentschlossen von einem Programm zum anderen und bleibt dann doch bei einer Fußballsondersendung hängen. Der Schlusspfiff der Partie ist gerade erst verklungen, und schon sieht man eine der Spielerinnen einem überdimensionalen Mikrofon gegenüberstehen: „Was geht nach einem so aufregenden Spiel in einem vor?“
„Mein Gott die Arme, ich wüsste nicht, was man da auf die Schnelle sagen soll“, lautet Karins spontaner Kommentar, „solche Fragen find ich nicht einfach, völlig außer Atem, wenig frisiert und von Maske korrigiert, wie soll man da die richtigen Worte finden?“
„Wieso, die Antworten gibt doch schon der Interviewer“, entgegnet Hans, „pass auf, gleich fragt er: muss es nicht ein tolles Gefühl sein? Macht es sie nicht total stolz, nach einer so intensiven Vorbereitung? Haben sie diese Taktik genau im Visier gehabt, als sie das Spiel angetreten sind? Ist es diese Kombination aus Siegeswillen und ein Quäntchen Glück, mit dem man Spiele wie diese bestreiten muss? Ist es nicht der Verdienst einer ganzen Mannschaft, so ein schwieriges Spiel für sich zu entscheiden? Und dann kommen die Antworten, die allen Beteiligten das Gefühl geben, hier hat ein ganz tolles Gespräch stattgefunden. Die Antworten lauten einfach nur: genau. Und schon entsteht der Eindruck, hier wurde das Geschehen präzise auf den Punkt gebracht.“
Und tatsächlich läuft es in diesem Interview gerade so ab, nach einer recht langen Fragestellung kommt von der Spielerin nur ein erleichterndes: "Ja genau."
Wobei bei den folgenden Fragen glücklicherweise weitere Varianten benutzt werden: absolut, definitiv, ja, total, ganz bestimmt.
„Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass im Fernsehen Interviews nach Siegen, Niederlagen genauso wie nach gewonnen oder verlorenen Wahlen immer gleich ablaufen?“, fragt Hans und dreht sich zu Karin, die aber immer noch mit ihrem Handy beschäftigt ist.
„Ja, und ich möchte dich mal sehen, was du nach 120 Minuten Rennerei oder zwei Monaten Wahlkampfmarathon zu sagen hättest.“
„Das ist doch gar nicht die Frage“, wehrt sich Hans, „mir fällt nur auf, dass sich diese Form der Zustimmung auch immer mehr durchsetzt, auch ohne 120 Minuten Rennerei. Vor allem am Telefon kommt es immer häufiger vor, ich sage etwas und am anderen Ende höre ich: Genau, definitiv, absolut. Und weißt du was, manchmal habe ich das Gefühl, diese Worte kommen genau dann, wenn am anderen Ende jemand nicht zuhört und mit etwas anderem beschäftigt ist.“
„Ja genau“, hört er Karin sagen, doch die ist bereits in die Küche gegangen, um nach der Quiche im Ofen zu schauen.
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Genau
WIE
Hans legt die Fernsehzeitung zur Seite: „Mein Gott, die ganzen Tage nichts als Sport, Sport und nochmal Sport.“
„Genau“, hört er Karin sagen, die hinter ihm steht und mit ihrem Handy beschäftigt ist. Hans wechselt etwas unentschlossen von einem Programm zum anderen und bleibt dann doch bei einer Fußballsondersendung hängen. Der Schlusspfiff der Partie ist gerade erst verklungen, und schon sieht man eine der Spielerinnen einem überdimensionalen Mikrofon gegenüberstehen: „Was geht nach einem so aufregenden Spiel in einem vor?“
„Mein Gott die Arme, ich wüsste nicht, was man da auf die Schnelle sagen soll“, lautet Karins spontaner Kommentar, „solche Fragen find ich nicht einfach, völlig außer Atem, wenig frisiert und von Maske korrigiert, wie soll man da die richtigen Worte finden?“
„Wieso, die Antworten gibt doch schon der Interviewer“, entgegnet Hans, „pass auf, gleich fragt er: muss es nicht ein tolles Gefühl sein? Macht es sie nicht total stolz, nach einer so intensiven Vorbereitung? Haben sie diese Taktik genau im Visier gehabt, als sie das Spiel angetreten sind? Ist es diese Kombination aus Siegeswillen und ein Quäntchen Glück, mit dem man Spiele wie diese bestreiten muss? Ist es nicht der Verdienst einer ganzen Mannschaft, so ein schwieriges Spiel für sich zu entscheiden? Und dann kommen die Antworten, die allen Beteiligten das Gefühl geben, hier hat ein ganz tolles Gespräch stattgefunden. Die Antworten lauten einfach nur: genau. Und schon entsteht der Eindruck, hier wurde das Geschehen präzise auf den Punkt gebracht.“
Und tatsächlich läuft es in diesem Interview gerade so ab, nach einer recht langen Fragestellung kommt von der Spielerin nur ein erleichterndes: "Ja genau."
Wobei bei den folgenden Fragen glücklicherweise weitere Varianten benutzt werden: absolut, definitiv, ja, total, ganz bestimmt.
„Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass im Fernsehen Interviews nach Siegen, Niederlagen genauso wie nach gewonnen oder verlorenen Wahlen immer gleich ablaufen?“, fragt Hans und dreht sich zu Karin, die aber immer noch mit ihrem Handy beschäftigt ist.
„Ja, und ich möchte dich mal sehen, was du nach 120 Minuten Rennerei oder zwei Monaten Wahlkampfmarathon zu sagen hättest.“
„Das ist doch gar nicht die Frage“, wehrt sich Hans, „mir fällt nur auf, dass sich diese Form der Zustimmung auch immer mehr durchsetzt, auch ohne 120 Minuten Rennerei. Vor allem am Telefon kommt es immer häufiger vor, ich sage etwas und am anderen Ende höre ich: Genau, definitiv, absolut. Und weißt du was, manchmal habe ich das Gefühl, diese Worte kommen genau dann, wenn am anderen Ende jemand nicht zuhört und mit etwas anderem beschäftigt ist.“
„Ja genau“, hört er Karin sagen, doch die ist bereits in die Küche gegangen, um nach der Quiche im Ofen zu schauen.