Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Geld
RAU
Zu Ihrem Geburtstag hat Carla mittags zu einem türkischen Imbiss in Ihrem Viertel eingeladen, nur wir Eltern und zwei Freundinnen. Sie möchte alles selber bezahlen, hat sie gesagt, dass sei ihr wichtig, und weil sie nun mal nicht soviel hat, gibt es nur eine kleine Runde.
Sie sind froh, dass sie überhaupt feiert. Charlotte hat eine Kerze, etwas Süßes und einen roten Umschlag mit einigen großen Scheinen in ihren handlichen Rucksack gepackt. ‚Für Carla‘ hat sie mit ihrer großen Schrift vorne drauf geschrieben und eine strahlende Sonne dazu gemalt. Wie sie halt ist, manchmal immer noch wie ein Kind. Als Mutter von drei erwachsenen Kindern, Konrad schmunzelt und weiß, warum er sie liebt.
Sie holen ihre jüngste Tochter ab und gehen zu Fuß zum Imbiss. Ein ziemlich anderes Viertel als das ihre. Türken, Araber und Osteuropäer überwiegen, gefühlt sind nur Männer unterwegs. Ein Späti, Gemüseladen, Kebab-, Döner- und Barborshop nach dem anderen, unterbrochen von Haushaltsauflösungsgeschäften, Ein-Euro-Shops und Humana. Konrad ist froh, dass er die Sonnenbrille trägt.
„Hallo, da ist was rausgefallen“, ruft ein dunkelhäutiger Mann vor dem Barbershop.
Tatsächlich liegen Kerze und Schokolade auf dem Bürgersteig, Konrad packt alles wieder in Charlottes Rucksack.
„Du musst den richtig zu machen, Mama“, sagt Carla etwas angespannt und leicht genervt, „den Reißverschluss bis zur Seite runterziehen, sonst geht er immer wieder auf.“
„Ich weiß“, antwortet Charlotte gequält und schielt zu Konrad.
Ihre aller Anspannung ist mit Händen zu greifen, aber sie wollen einen schönen, gemeinsamen Mittag haben, halten den Mund und gehen weiter.
Carlas Freundinnen sind zum Glück schon da, es gibt ein freundliches gegenseitiges Hallo. Sie nehmen Platz, Charlotte öffnet ihren Rucksack, stellt Kerze und Dose mit dem Süßen auf den Tisch, greift wieder hinein, doch da scheint nichts mehr zu sein. Ein zweiter Blick, dann ein schneller zu ihm.
Er versteht sofort, steht auf und sagt zu seiner Tochter: „Ganz kurz nur, bin gleich wieder da.“ Den gleichen Weg wieder zurück im schnellen Schritt, vorbei an Spätis, Gemüseläden, Kebab-, Döner- und Barborshops, an Türken, Arabern und Osteuropäern an einem milden Spätwintertag um eins. Den Blick immer nach unten gerichtet. Es ist nur Geld, es gibt Schlimmeres, beruhigt er sich und hastet weiter. Vorbei am dunkelhäutigen Mann im Barborshop, der jetzt einem Kunden die Haare schneidet. Es ist nur Geld, nur Geld, nicht aufregen, nur nicht aufregen, es gibt wirklich Schlimmeres. Es ist sinnlos wieder zurückzulaufen, auf dieser Straße, in dieser Gegend, hat überhaupt keinen Zweck. Wann soll er wieder umdrehen? Sein Atem geht schneller. Es ist nur Geld. Was erzählt er Carla? Er überquert die nächste Querstraße, und da, ganz hinten am Laternenmast, leuchtet da nicht etwas Rotes auf dem Bürgersteig? Nun rennt er, und wirklich, da lehnt der rote Umschlag. Ganz still und von der Mittagssonne beschienen inmitten all der fremden Menschen am Samstagmittag auf der Turmstrasse. ‚Für Carla‘. In Charlottes großer Schrift und daneben die gemalte Sonne. Mit zitternden Händen nimmt er ihn hoch und öffnet. Alle Scheine sind noch drin, wirklich alle. Und es waren einige. Das gibt‘s doch nicht. Ist das wirklich wahr? Puuuh. Der gute Engel von Moabit, es gibt ihn.
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Geld
RAU
Zu Ihrem Geburtstag hat Carla mittags zu einem türkischen Imbiss in Ihrem Viertel eingeladen, nur wir Eltern und zwei Freundinnen. Sie möchte alles selber bezahlen, hat sie gesagt, dass sei ihr wichtig, und weil sie nun mal nicht soviel hat, gibt es nur eine kleine Runde.
Sie sind froh, dass sie überhaupt feiert. Charlotte hat eine Kerze, etwas Süßes und einen roten Umschlag mit einigen großen Scheinen in ihren handlichen Rucksack gepackt. ‚Für Carla‘ hat sie mit ihrer großen Schrift vorne drauf geschrieben und eine strahlende Sonne dazu gemalt. Wie sie halt ist, manchmal immer noch wie ein Kind. Als Mutter von drei erwachsenen Kindern, Konrad schmunzelt und weiß, warum er sie liebt.
Sie holen ihre jüngste Tochter ab und gehen zu Fuß zum Imbiss. Ein ziemlich anderes Viertel als das ihre. Türken, Araber und Osteuropäer überwiegen, gefühlt sind nur Männer unterwegs. Ein Späti, Gemüseladen, Kebab-, Döner- und Barborshop nach dem anderen, unterbrochen von Haushaltsauflösungsgeschäften, Ein-Euro-Shops und Humana. Konrad ist froh, dass er die Sonnenbrille trägt.
„Hallo, da ist was rausgefallen“, ruft ein dunkelhäutiger Mann vor dem Barbershop.
Tatsächlich liegen Kerze und Schokolade auf dem Bürgersteig, Konrad packt alles wieder in Charlottes Rucksack.
„Du musst den richtig zu machen, Mama“, sagt Carla etwas angespannt und leicht genervt, „den Reißverschluss bis zur Seite runterziehen, sonst geht er immer wieder auf.“
„Ich weiß“, antwortet Charlotte gequält und schielt zu Konrad.
Ihre aller Anspannung ist mit Händen zu greifen, aber sie wollen einen schönen, gemeinsamen Mittag haben, halten den Mund und gehen weiter.
Carlas Freundinnen sind zum Glück schon da, es gibt ein freundliches gegenseitiges Hallo. Sie nehmen Platz, Charlotte öffnet ihren Rucksack, stellt Kerze und Dose mit dem Süßen auf den Tisch, greift wieder hinein, doch da scheint nichts mehr zu sein. Ein zweiter Blick, dann ein schneller zu ihm.
Er versteht sofort, steht auf und sagt zu seiner Tochter: „Ganz kurz nur, bin gleich wieder da.“ Den gleichen Weg wieder zurück im schnellen Schritt, vorbei an Spätis, Gemüseläden, Kebab-, Döner- und Barborshops, an Türken, Arabern und Osteuropäern an einem milden Spätwintertag um eins. Den Blick immer nach unten gerichtet. Es ist nur Geld, es gibt Schlimmeres, beruhigt er sich und hastet weiter. Vorbei am dunkelhäutigen Mann im Barborshop, der jetzt einem Kunden die Haare schneidet. Es ist nur Geld, nur Geld, nicht aufregen, nur nicht aufregen, es gibt wirklich Schlimmeres. Es ist sinnlos wieder zurückzulaufen, auf dieser Straße, in dieser Gegend, hat überhaupt keinen Zweck. Wann soll er wieder umdrehen? Sein Atem geht schneller. Es ist nur Geld. Was erzählt er Carla? Er überquert die nächste Querstraße, und da, ganz hinten am Laternenmast, leuchtet da nicht etwas Rotes auf dem Bürgersteig? Nun rennt er, und wirklich, da lehnt der rote Umschlag. Ganz still und von der Mittagssonne beschienen inmitten all der fremden Menschen am Samstagmittag auf der Turmstrasse. ‚Für Carla‘. In Charlottes großer Schrift und daneben die gemalte Sonne. Mit zitternden Händen nimmt er ihn hoch und öffnet. Alle Scheine sind noch drin, wirklich alle. Und es waren einige. Das gibt‘s doch nicht. Ist das wirklich wahr? Puuuh. Der gute Engel von Moabit, es gibt ihn.