Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Fußgängerzone
RAU
Immerhin fahren keine Autos, nur in den Morgenstunden gibt es Lieferverkehr. Und sonst? Nicht so einfach. Früher war es ein Segen, ein kolossaler Fortschritt, wenn eine ehemals belebte und befahrene Einkaufsstraße umgewandelt wurde. Versprach es endlich Ruhe vor Verkehr, Abgasen und Hektik, ermöglichte ein entspannteres Einkaufen in interessanten Geschäften, kleine Pausen in Cafes und netten Lokalen oder auf Sitzbänken umgeben von Blumenkübeln, am besten noch unter Schatten spendenden Bäumen. Wohlgefühl und Entspannung inmitten der hektischen Stadt, fast wie im Urlaub, eine kleine Erholungsoase. War es wirklich mal so? Doch, auf jeden Fall, sie kann sich noch gut daran erinnern, man traf sich dort und fühlte sich pudelwohl.
Der Lieferverkehr weckt mich, egal. Der jüngere Fahrer vom roten Wagen steckt mir wieder was zu. Ob er auch mal hier lag? Hätte ich noch einen Führerschein, wer weiß? Wieder eine Nacht geschafft. Schlecht geträumt. Hab‘ letzte Woche endlich den überdachten Platz ergattert, weil Maurice weg ist. Keine Ahnung, wo der hin ist. Hat sich nicht verabschiedet. Schade. Hoffentlich geht’s ihm gut, wo er ist. Aber jetzt kann ich nicht mehr nass werden, ein Segen.
Heute strahlen diese Fußgängerzonen etwas ganz anderes aus, zumindest in ihrer Stadt, in der sie täglich eine queren muss. Fast nur noch Filialen billiger Ladenketten sind hier, jede Menge Handyläden, viel Leerstand, acht- und rücksichtloser Fahrrad- und E-Scooter-Verkehr, Treffpunkte für Alkoholiker und Drogenabhängige, BettlerInnen und Obdachlose mit ihrem wenigen Hab und Gut. Städtische Flaneure, interessante Gesichter oder gut angezogene Personen? Fehlanzeige.
Was ehemals städtischer Fortschritt war ist heute sichtbarer Ausdruck eines rasanten Abstieges. Die Schließung der großen Warenhäuser setzt noch den traurigen Schlussakkord unter eine zutiefst urdemokratische Idee. Eine für alle. Gemeinsames Erleben. Doch die, die es früher genossen haben, rümpfen heute ihre Nasen. Jetzt ist Platz für die, die sonst niemand möchte und die augenscheinlich mehr werden, viel mehr.
Die meisten laufen achtlos vorbei, ein paar schauen mitleidig, die kann ich gar nicht ab. Aber die, die laut schimpfen, sind die Schlimmsten. ‚Nutzloses Pack‘, ‚geh‘ endlich arbeiten‘ sind noch die freundlicheren Kommentare. Ich höre einfach nicht mehr hin, stelle die Ohren auf Durchzug. Wenn die wüssten. Zwei alte Frauen legen mir auch immer was hin, Obst und belegte Brote, sehen aus wie selbstgemacht, auch mal eine Kekspackung. Wir nicken uns kurz zu. Sprechen traue ich mich nicht.
Irgendwie muss da recht bald in viele Richtungen neu gedacht werden, aber wer macht‘s?
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Fußgängerzone
RAU
Immerhin fahren keine Autos, nur in den Morgenstunden gibt es Lieferverkehr. Und sonst? Nicht so einfach. Früher war es ein Segen, ein kolossaler Fortschritt, wenn eine ehemals belebte und befahrene Einkaufsstraße umgewandelt wurde. Versprach es endlich Ruhe vor Verkehr, Abgasen und Hektik, ermöglichte ein entspannteres Einkaufen in interessanten Geschäften, kleine Pausen in Cafes und netten Lokalen oder auf Sitzbänken umgeben von Blumenkübeln, am besten noch unter Schatten spendenden Bäumen. Wohlgefühl und Entspannung inmitten der hektischen Stadt, fast wie im Urlaub, eine kleine Erholungsoase. War es wirklich mal so? Doch, auf jeden Fall, sie kann sich noch gut daran erinnern, man traf sich dort und fühlte sich pudelwohl.
Der Lieferverkehr weckt mich, egal. Der jüngere Fahrer vom roten Wagen steckt mir wieder was zu. Ob er auch mal hier lag? Hätte ich noch einen Führerschein, wer weiß? Wieder eine Nacht geschafft. Schlecht geträumt. Hab‘ letzte Woche endlich den überdachten Platz ergattert, weil Maurice weg ist. Keine Ahnung, wo der hin ist. Hat sich nicht verabschiedet. Schade. Hoffentlich geht’s ihm gut, wo er ist. Aber jetzt kann ich nicht mehr nass werden, ein Segen.
Heute strahlen diese Fußgängerzonen etwas ganz anderes aus, zumindest in ihrer Stadt, in der sie täglich eine queren muss. Fast nur noch Filialen billiger Ladenketten sind hier, jede Menge Handyläden, viel Leerstand, acht- und rücksichtloser Fahrrad- und E-Scooter-Verkehr, Treffpunkte für Alkoholiker und Drogenabhängige, BettlerInnen und Obdachlose mit ihrem wenigen Hab und Gut. Städtische Flaneure, interessante Gesichter oder gut angezogene Personen? Fehlanzeige.
Was ehemals städtischer Fortschritt war ist heute sichtbarer Ausdruck eines rasanten Abstieges. Die Schließung der großen Warenhäuser setzt noch den traurigen Schlussakkord unter eine zutiefst urdemokratische Idee. Eine für alle. Gemeinsames Erleben. Doch die, die es früher genossen haben, rümpfen heute ihre Nasen. Jetzt ist Platz für die, die sonst niemand möchte und die augenscheinlich mehr werden, viel mehr.
Die meisten laufen achtlos vorbei, ein paar schauen mitleidig, die kann ich gar nicht ab. Aber die, die laut schimpfen, sind die Schlimmsten. ‚Nutzloses Pack‘, ‚geh‘ endlich arbeiten‘ sind noch die freundlicheren Kommentare. Ich höre einfach nicht mehr hin, stelle die Ohren auf Durchzug. Wenn die wüssten. Zwei alte Frauen legen mir auch immer was hin, Obst und belegte Brote, sehen aus wie selbstgemacht, auch mal eine Kekspackung. Wir nicken uns kurz zu. Sprechen traue ich mich nicht.
Irgendwie muss da recht bald in viele Richtungen neu gedacht werden, aber wer macht‘s?