Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Flecken
WIE
„Suchst Du noch ein paar schöne Papierservietten raus?“, ruft Karin aus der Küche.
Hans ist gerade damit beschäftigt, im Garten den Tisch zu decken, als er feststellen muss: „Kann es sein, dass die Decke ein paar Flecken hat?“
„Kann nicht sein, die habe ich gerade frisch gewaschen.“
„Ja, vielleicht ist nicht alles rausgegangen?“
„Dann tu' halt eine andere drauf.“
Da ist sie wieder, diese Zwickmühle, vielleicht sogar einer der vertracktesten Zwickmühlen überhaupt. Auf der einen Seite ist genau diese Decke seine Lieblingstischdecke, genauso wie es sein Lieblingshemd, seine Lieblingsjacke gibt. Auf der anderen Seite sind da leider auch Gebrauchsspuren, was nicht weiter verwunderlich ist, weil Lieblingssachen nun mal oft in Gebrauch sind und das oft über viele Jahre.
Diese leichten Gebrauchsspuren, Kaffee-, Rotwein- oder Schokoladenflecken, die alle nicht vollständig bei den Wäschen rausgegangen sind, können aber die Zuneigung zu seinen Lieblingstücken nicht schmälern. Wie auch nicht abgenutzte Kanten an Krägen oder Ärmeln, leicht verblichene Farben, die aber halt Lieblingsfarben sind. Konkurrenzlos schön, alles andere ist nicht so wichtig.
„Dann nimm die Hellgrüne aus dem Schrank“, ist Karin noch einmal zu hören.
Hans zieht die besagte hellgrüne Decke hervor, beim genaueren Hinsehen kann man ein ganz kleines Dreiecksmuster erkennen. Diese Tischdecke verkörpert so ziemlich das Gegenteil von seiner Lieblingstischdecke mit ihren violetten Oliven, grünen Blättern und sonnenblumengelbem Rand, die sofort eine wohlige Südfrankreichstimmung aufkommen läßt.
Während er die hellgrüne Decke ausbreitet und Geschirr und Gläser darauf verteilt, kommt plötzlich eine unangenehme Stimmung hoch. Die Decke ist sauber, strahlend sauber, klinisch sauber, an keiner Stelle getrübt, aber irgend etwas an dieser Farbe ist problematisch. Warum, kann er noch nicht sagen. Es muss irgendeine Verbindung geben, eine beklemmende Atmosphäre, die er schon spürt, ohne zu wissen, woher sie kommt. Jedenfalls das Gegenteil von Südfrankreich, von Lavendelgeruch, Sonnenblumenfeldern und Ferienstimmung.
Der Groschen fällt, als er die letzten Messer und Gabeln neben die Teller legt. Jetzt weiß er es. Es ist ziemlich exakt der hellgrüne Farbton, der in Kliniken zu finden ist, vor allem auf Intensivstation und OP-Abteilungen. Das geht gar nicht. Irgendeine zusätzliche Tischdeko muss her, um dieses Hellgrün in ein Oster- oder Frühlingsgrün zu verwandeln. Vielleicht helfen kleine farbige Vasen, vielleicht andere Papierservietten, die mit den kleinen gelben Rosen zum Beispiel. Aber die klinische Sterilität will aus der Decke nicht verschwinden.
Dann fasst Hans einen Entschluss: „Weißt du was, wir nehmen doch die Tischdecke aus Südfrankreich.“
„Aber die hat doch Flecken, hast du gesagt.“
„Was sind schon Flecken? Sie sind Spuren des Lebens, Spuren des Erlebens.“
„Ziehst du eigentlich noch ein anderes Hemd an?“, fragt Karin, als sie aus der Küche in den Garten kommt.
„Wieso?“
„Na hör mal, ich glaube, das ist dann wohl doch schon etwas alt und da vorne völlig verschossen. Oder sieht das nur aus?“
„Es ist mein Lieblingshemd“, erwidert Hans.
„Ich weiß“, stöhnt Karin.
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Flecken
WIE
„Suchst Du noch ein paar schöne Papierservietten raus?“, ruft Karin aus der Küche.
Hans ist gerade damit beschäftigt, im Garten den Tisch zu decken, als er feststellen muss: „Kann es sein, dass die Decke ein paar Flecken hat?“
„Kann nicht sein, die habe ich gerade frisch gewaschen.“
„Ja, vielleicht ist nicht alles rausgegangen?“
„Dann tu' halt eine andere drauf.“
Da ist sie wieder, diese Zwickmühle, vielleicht sogar einer der vertracktesten Zwickmühlen überhaupt. Auf der einen Seite ist genau diese Decke seine Lieblingstischdecke, genauso wie es sein Lieblingshemd, seine Lieblingsjacke gibt. Auf der anderen Seite sind da leider auch Gebrauchsspuren, was nicht weiter verwunderlich ist, weil Lieblingssachen nun mal oft in Gebrauch sind und das oft über viele Jahre.
Diese leichten Gebrauchsspuren, Kaffee-, Rotwein- oder Schokoladenflecken, die alle nicht vollständig bei den Wäschen rausgegangen sind, können aber die Zuneigung zu seinen Lieblingstücken nicht schmälern. Wie auch nicht abgenutzte Kanten an Krägen oder Ärmeln, leicht verblichene Farben, die aber halt Lieblingsfarben sind. Konkurrenzlos schön, alles andere ist nicht so wichtig.
„Dann nimm die Hellgrüne aus dem Schrank“, ist Karin noch einmal zu hören.
Hans zieht die besagte hellgrüne Decke hervor, beim genaueren Hinsehen kann man ein ganz kleines Dreiecksmuster erkennen. Diese Tischdecke verkörpert so ziemlich das Gegenteil von seiner Lieblingstischdecke mit ihren violetten Oliven, grünen Blättern und sonnenblumengelbem Rand, die sofort eine wohlige Südfrankreichstimmung aufkommen läßt.
Während er die hellgrüne Decke ausbreitet und Geschirr und Gläser darauf verteilt, kommt plötzlich eine unangenehme Stimmung hoch. Die Decke ist sauber, strahlend sauber, klinisch sauber, an keiner Stelle getrübt, aber irgend etwas an dieser Farbe ist problematisch. Warum, kann er noch nicht sagen. Es muss irgendeine Verbindung geben, eine beklemmende Atmosphäre, die er schon spürt, ohne zu wissen, woher sie kommt. Jedenfalls das Gegenteil von Südfrankreich, von Lavendelgeruch, Sonnenblumenfeldern und Ferienstimmung.
Der Groschen fällt, als er die letzten Messer und Gabeln neben die Teller legt. Jetzt weiß er es. Es ist ziemlich exakt der hellgrüne Farbton, der in Kliniken zu finden ist, vor allem auf Intensivstation und OP-Abteilungen. Das geht gar nicht. Irgendeine zusätzliche Tischdeko muss her, um dieses Hellgrün in ein Oster- oder Frühlingsgrün zu verwandeln. Vielleicht helfen kleine farbige Vasen, vielleicht andere Papierservietten, die mit den kleinen gelben Rosen zum Beispiel. Aber die klinische Sterilität will aus der Decke nicht verschwinden.
Dann fasst Hans einen Entschluss: „Weißt du was, wir nehmen doch die Tischdecke aus Südfrankreich.“
„Aber die hat doch Flecken, hast du gesagt.“
„Was sind schon Flecken? Sie sind Spuren des Lebens, Spuren des Erlebens.“
„Ziehst du eigentlich noch ein anderes Hemd an?“, fragt Karin, als sie aus der Küche in den Garten kommt.
„Wieso?“
„Na hör mal, ich glaube, das ist dann wohl doch schon etwas alt und da vorne völlig verschossen. Oder sieht das nur aus?“
„Es ist mein Lieblingshemd“, erwidert Hans.
„Ich weiß“, stöhnt Karin.