Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Einfamilienhaus
WIE
Dort bin ich aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe meine Jugend verbracht und das Abitur gemacht. Zwischen den endlosen Reihen der Wohnhäuser meiner kleinen Stadt auf dem Lande. Eine Ansammlung gleichförmiger Straßen, rechts und links, fein aufgereiht, Einfamilienhäuser, in denselben Jahren aus dem Boden gestampft. Als es damals hieß, raus aus den Städten, aus Enge und Ruinen und allem, was daran erinnerte. Endlich eigener Boden, mit Haus und Garage, Veranda und Zaun, Rasenfläche gesät, Baum gepflanzt, ins Grundbuch eingetragen.
Das Glück greifbar, sichtbar, überschaubar, für jeden einsehbar: Allen voran viel Farbe: denn das Glück trägt gelb, blau, grün, rot und weiß. In großformatige Muster gepackt, so dass es strahlt und prahlt.
Leicht soll es sein, kuschelig und modern. Frottee, Plastik und Polyester. Gut abwaschbar, verstaubt nicht, knautscht nicht, verfilzt nicht, macht das Leben leicht. Schon zu viel geschleppt und getragen in den Jahren danach, in schweren Wäschekörben, Blecheimern und Zinkwannen. Heute sind die Eimer rot, die Wannen grün, die Körbe gelb, alles adrett, ein bisschen keck, ein bisschen frech. Das Lebensgefühl, der Lebensstil im eigenen Eigenheim, damit war keiner allein.
Bereits die Haustür ganz transparent aus gelbem Glas mit der ständigen Illusion von Sonnenschein. Postbote, Milchmann, Nachbar rasch über die verspielt angeordneten Gehwegplatten und die paar Zwischenstufen bis zur Haustür in einem Schritt gehüpft, dürfen auch mal vom Glück nippen.
Ein kurzer Blick zurück vor die Garage, dort steht das neueste Gefährt, das man nicht verbirgt: Das wohl wichtigste Symbol fürs neue Lebensgefühl: Autos in hellen Farben, Himmelblau und Weiß, später auch Gelb und Orange waren sehr beliebt. Die Dreiundzwanzigtausend Unfalltoten pro Jahr, kein Thema, damals, zwanzig Jahre nach dem Krieg.
Nein, dieses Glück schien unangreifbar, ließ sich von nichts seine gute Laune trüben. Von allen gleich gesehen, gelebt und demonstriert. Was gibt es Schöneres, sich einig zu sein, und es auch jeder sieht. Ein bisschen Neid dabei, der zieht, ein wenig Konkurrenz, die blüht.
Vierzig Jahre später, die Hecken, Sträucher, Bäume wuchern und verstecken. Die Blicke der Nachbarn schon längst gebannt. In dunklen Wohnzimmern kauernd die Großeltern, sehnsüchtig wartend auf den Besuch der Kinder samt Enkeln. Doch der Weg aus der Stadt ist lang. Das Interesse, Haus und Garten des eigenen Kinderglücks zu besuchen, nur kurz. Es ist still geworden, die Farben verblasst, die Markisen verrutscht, die Zufahrtswege schon längst saniert. Alle Stolperfallen, Barrieren für Rollatoren eleminiert. Vor der Garage ein Auto, immer noch rot, vom Pflegedienst.
Wer konnte schon ahnen, dass das Glück der Kinder wo anders liegt. Das heute was anderes zählt, der Lebensstil auf anderes zielt? Doch kein Haus für Generationen. Grad mal eine Familie sollte dort wohnen, dann schon wollte das Wohnen sich nicht mehr lohnen. Zu groß, zu kalt, zu teuer, zu alt. Wie der Name schon sagt, eben ein Einfamilienhaus.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Einfamilienhaus
WIE
Dort bin ich aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe meine Jugend verbracht und das Abitur gemacht. Zwischen den endlosen Reihen der Wohnhäuser meiner kleinen Stadt auf dem Lande. Eine Ansammlung gleichförmiger Straßen, rechts und links, fein aufgereiht, Einfamilienhäuser, in denselben Jahren aus dem Boden gestampft. Als es damals hieß, raus aus den Städten, aus Enge und Ruinen und allem, was daran erinnerte. Endlich eigener Boden, mit Haus und Garage, Veranda und Zaun, Rasenfläche gesät, Baum gepflanzt, ins Grundbuch eingetragen.
Das Glück greifbar, sichtbar, überschaubar, für jeden einsehbar: Allen voran viel Farbe: denn das Glück trägt gelb, blau, grün, rot und weiß. In großformatige Muster gepackt, so dass es strahlt und prahlt.
Leicht soll es sein, kuschelig und modern. Frottee, Plastik und Polyester. Gut abwaschbar, verstaubt nicht, knautscht nicht, verfilzt nicht, macht das Leben leicht. Schon zu viel geschleppt und getragen in den Jahren danach, in schweren Wäschekörben, Blecheimern und Zinkwannen. Heute sind die Eimer rot, die Wannen grün, die Körbe gelb, alles adrett, ein bisschen keck, ein bisschen frech. Das Lebensgefühl, der Lebensstil im eigenen Eigenheim, damit war keiner allein.
Bereits die Haustür ganz transparent aus gelbem Glas mit der ständigen Illusion von Sonnenschein. Postbote, Milchmann, Nachbar rasch über die verspielt angeordneten Gehwegplatten und die paar Zwischenstufen bis zur Haustür in einem Schritt gehüpft, dürfen auch mal vom Glück nippen.
Ein kurzer Blick zurück vor die Garage, dort steht das neueste Gefährt, das man nicht verbirgt: Das wohl wichtigste Symbol fürs neue Lebensgefühl: Autos in hellen Farben, Himmelblau und Weiß, später auch Gelb und Orange waren sehr beliebt. Die Dreiundzwanzigtausend Unfalltoten pro Jahr, kein Thema, damals, zwanzig Jahre nach dem Krieg.
Nein, dieses Glück schien unangreifbar, ließ sich von nichts seine gute Laune trüben. Von allen gleich gesehen, gelebt und demonstriert. Was gibt es Schöneres, sich einig zu sein, und es auch jeder sieht. Ein bisschen Neid dabei, der zieht, ein wenig Konkurrenz, die blüht.
Vierzig Jahre später, die Hecken, Sträucher, Bäume wuchern und verstecken. Die Blicke der Nachbarn schon längst gebannt. In dunklen Wohnzimmern kauernd die Großeltern, sehnsüchtig wartend auf den Besuch der Kinder samt Enkeln. Doch der Weg aus der Stadt ist lang. Das Interesse, Haus und Garten des eigenen Kinderglücks zu besuchen, nur kurz. Es ist still geworden, die Farben verblasst, die Markisen verrutscht, die Zufahrtswege schon längst saniert. Alle Stolperfallen, Barrieren für Rollatoren eleminiert. Vor der Garage ein Auto, immer noch rot, vom Pflegedienst.
Wer konnte schon ahnen, dass das Glück der Kinder wo anders liegt. Das heute was anderes zählt, der Lebensstil auf anderes zielt? Doch kein Haus für Generationen. Grad mal eine Familie sollte dort wohnen, dann schon wollte das Wohnen sich nicht mehr lohnen. Zu groß, zu kalt, zu teuer, zu alt. Wie der Name schon sagt, eben ein Einfamilienhaus.