Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Einfach zu Fuß
RAU
Sie dachte immer, das ist nur was für Kinder, Alte und so Supersportler. Und nun geht sie also auch, mit Hose und Hoody und einigermaßen bequemen Turnschuhen ziemlich gut ausgestattet. Denn seit dem Unfall hat ein anderes Leben begonnen.
Als Schulkind ging sie morgens immer eine halbe Stunde hin und mittags fast eine Stunde zurück. Soviel war noch mit den FreundInnen unterwegs zu bequatschen und zu bestaunen, Spielplätze, Heckenrosenblüten, Geschäfte und dann natürlich der Hof der Autowerkstatt. Anton hieß der Chef und winkte ihnen immer freundlich zu. Ab dem Gymnasium durfte sie dann mit dem Rad fahren, und fortan fuhr sie Rad als Abiturientin, Studentin, junge Ehefrau und Mutter, fuhr ins Büro und in die Kita, zu Kindergeburtstagen und ins Kino, auch zum ersten Treffen mit Konrad fuhr sie mit ihrem Rad. Der hat nicht schlecht gestaunt, wie sie da fix um die Ecke kam und direkt vor ihm bremste.
Er war schon immer der Autofahrertyp, und gemeinsame Spaziergänge kommen in ihrem Leben höchst selten vor, allenfalls mit seiner schon recht betagten Mutter. Aber das ist eher ein langsames Vorwärtskriechen und wirklich keine Werbeveranstaltung für das, was die Ärztin ihr geraten hat. Auf keinen Fall Radfahren, hat sie gemeint, aber tägliches, langsames Gehen. Da hat sie erst einmal schlucken müssen, aber nach sechs langen Wochen nur im Krankenbett und Rollstuhl war die Aussicht auf die ersten Gehversuche wie ein Sechser im Lotto. Als sie wieder aufrecht auf ihren Füssen gestanden und die ersten Schritte gegangen ist, flossen doch glatt die Tränen.
Schritt für Schritt, eins und zwei, eins und zwei. Erst noch sachte, wackelig und sehr langsam. Nun ist sie jeden Tag zu Fuß unterwegs und muss zugeben, es immer noch ziemlich überraschend zu finden. Gut, sie muss für alles wesentlich mehr Zeit einplanen als vor dem Unfall, aber seltsamerweise fehlen ihr diese zusätzlichen Minuten nirgends. Schon erstaunlich. Sie kann auch nicht mehr soviel Gepäck transportieren, aber das besorgt nun Konrad. Neue Arbeitsteilung belebt ein Paar, denkt sie und lächelt.
Einfach zu Fuß unterwegs zu sein ist nun wie eine neue Reise durchs sattsam Bekannte, voll gespickt mit neuen Blicken und Gedanken. Oft bleibt sie stehen, sieht Graffities, lustige oder freche Sprüche, achtlos Abgestelltes, verrückte Schaufenster, studiert die Auslagen in den Bücherboxen, Menschen vor und in den Cafes, Spätis und Barbershops und freut sich über ein küssendes Paar auf der Bank. Bekommt nicht genug davon und denkt nicht mehr an blöde to-do-Listen, die abgearbeitet werden müssen. Geht immer weiter, sieht hierhin und dorthin, macht Fotos und erzählt von all dem abends Konrad, was ja auch wieder eine Belebung …
In der zweiten Woche schon beginnt Sergio, der wirklich sehr kleine italienische Wirt, ihr beim Vorbeigehen zuzuwinken, und ihr Radhändler Thomas ebenso. Na also, denkt sie und schmunzelt, fast wie früher als Kind.
Texte zum Alltäglichen -
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Einfach zu Fuß
RAU
Sie dachte immer, das ist nur was für Kinder, Alte und so Supersportler. Und nun geht sie also auch, mit Hose und Hoody und einigermaßen bequemen Turnschuhen ziemlich gut ausgestattet. Denn seit dem Unfall hat ein anderes Leben begonnen.
Als Schulkind ging sie morgens immer eine halbe Stunde hin und mittags fast eine Stunde zurück. Soviel war noch mit den FreundInnen unterwegs zu bequatschen und zu bestaunen, Spielplätze, Heckenrosenblüten, Geschäfte und dann natürlich der Hof der Autowerkstatt. Anton hieß der Chef und winkte ihnen immer freundlich zu. Ab dem Gymnasium durfte sie dann mit dem Rad fahren, und fortan fuhr sie Rad als Abiturientin, Studentin, junge Ehefrau und Mutter, fuhr ins Büro und in die Kita, zu Kindergeburtstagen und ins Kino, auch zum ersten Treffen mit Konrad fuhr sie mit ihrem Rad. Der hat nicht schlecht gestaunt, wie sie da fix um die Ecke kam und direkt vor ihm bremste.
Er war schon immer der Autofahrertyp, und gemeinsame Spaziergänge kommen in ihrem Leben höchst selten vor, allenfalls mit seiner schon recht betagten Mutter. Aber das ist eher ein langsames Vorwärtskriechen und wirklich keine Werbeveranstaltung für das, was die Ärztin ihr geraten hat. Auf keinen Fall Radfahren, hat sie gemeint, aber tägliches, langsames Gehen. Da hat sie erst einmal schlucken müssen, aber nach sechs langen Wochen nur im Krankenbett und Rollstuhl war die Aussicht auf die ersten Gehversuche wie ein Sechser im Lotto. Als sie wieder aufrecht auf ihren Füssen gestanden und die ersten Schritte gegangen ist, flossen doch glatt die Tränen.
Schritt für Schritt, eins und zwei, eins und zwei. Erst noch sachte, wackelig und sehr langsam. Nun ist sie jeden Tag zu Fuß unterwegs und muss zugeben, es immer noch ziemlich überraschend zu finden. Gut, sie muss für alles wesentlich mehr Zeit einplanen als vor dem Unfall, aber seltsamerweise fehlen ihr diese zusätzlichen Minuten nirgends. Schon erstaunlich. Sie kann auch nicht mehr soviel Gepäck transportieren, aber das besorgt nun Konrad. Neue Arbeitsteilung belebt ein Paar, denkt sie und lächelt.
Einfach zu Fuß unterwegs zu sein ist nun wie eine neue Reise durchs sattsam Bekannte, voll gespickt mit neuen Blicken und Gedanken. Oft bleibt sie stehen, sieht Graffities, lustige oder freche Sprüche, achtlos Abgestelltes, verrückte Schaufenster, studiert die Auslagen in den Bücherboxen, Menschen vor und in den Cafes, Spätis und Barbershops und freut sich über ein küssendes Paar auf der Bank. Bekommt nicht genug davon und denkt nicht mehr an blöde to-do-Listen, die abgearbeitet werden müssen. Geht immer weiter, sieht hierhin und dorthin, macht Fotos und erzählt von all dem abends Konrad, was ja auch wieder eine Belebung …
In der zweiten Woche schon beginnt Sergio, der wirklich sehr kleine italienische Wirt, ihr beim Vorbeigehen zuzuwinken, und ihr Radhändler Thomas ebenso. Na also, denkt sie und schmunzelt, fast wie früher als Kind.