Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Einen Moment bitte
RAU
Das hat er gesagt und ist dann nach hinten verschwunden. Nun sitzt sie da und staunt nicht schlecht oder ist irritiert und mehr als das? Im Grunde genommen ist sie verstört, das trifft es am besten. Einen Moment bitte, so altmodisch klingt es, so höflich, nicht entschuldige oder sorry oder warte mal kurz.
Sie nippt an ihrem Kaffee und sieht seine leere Tasse auf dem Tisch. Sonst ist nichts von ihm. Über eine Stunde sitzen sie schon hier, haben eine Tomatensuppe gegessen, sich einen Flammkuchen geteilt und noch einen Kaffee bestellt. Haben geredet und gelacht, sich aus ihren Leben erzählt und sogar so etwas wie Pläne gemacht. Wenn sie sich so gut auskenne in der Stadt, könnten sie ja mal zusammen mit dem Rad … er wolle viel kennenlernen, hat er gesagt.
Er wohnt erst seit Kurzem in der Stadt, hat einen sicheren Job, zwei Kinder und ist geschieden. Genau wie sie. Alter, Größe, Herkunft passen, die Interessen auch. Eine gute Portion Humor und feine, schmale Hände hat er, wache Augen und überhaupt. Eigentlich gefällt ihr alles an ihm. Seit zehn Tagen kennen sie sich, gerade haben sie ihr drittes Treffen. Auch dieses Mal ist sie noch aufgeregt, und der Kaffee trägt nicht unbedingt dazu bei, dass sie ruhiger wird.
Und nun das. Einen Moment bitte. Muss er ein dringendes Telefonat machen, oder hat sie eben nicht aufgepasst? Natürlich hat sie Zeit, einen Moment lang zu warten, weil er am Abend noch etwas Wichtiges zu tun hat oder regeln muss. Warum nicht? Aber ist da nicht auch etwas in seinem Blick gewesen und in seiner Mimik, das ihr jetzt zu denken gibt? Hat er wirklich noch so aufmerksam und zugewandt gewirkt wie bei den beiden letzten Treffen und ist er mit seinen wachen Augen nicht doch ziemlich oft im Bistro unterwegs gewesen? Sie will anfangs nicht zu zimperlich sein, keineswegs, aber doch höchst konzentriert, denn das hier wird keine Lappalie werden, ganz egal wie es weitergehen wird. Dazu hat er zu viel von dem, was ihr gefällt und darüber hinaus noch eine Menge von dem, was ihr gefährlich werden könnte. Das riecht sie mittlerweile, denn damit kennt sie sich aus, mit charmanten Männern, die den ersten Akt meisterlich beherrschen und die Frau dabei regelrecht um den Finger wickeln, um sie dann sehr bald und sehr lange zappeln und leiden zu lassen. Wieder denkt sie an seine unruhigen Augen, die einerseits sehr wach sind, doch gleichzeitig auch alles andere checken. Und an den leicht spöttischen Zug um den Mund, als sie von ihrem Job und den Schwierigkeiten mit ihrem Chef erzählt hat. Und hat er nicht doch ein bisschen viel von sich berichtet, wie toll seine Arbeit laufe, wie gut er sich mit den Kindern versteht, wie entspannt mit der Exfrau?
Einen Moment zu warten ist nicht schwer, ihn falsch zu verstehen kann sehr lange schmerzen. So legt sie Geld auf den Tisch, nimmt Tasche und Mantel und geht zur anderen Tür hinaus. Nochmal Glück gehabt, denkt sie draußen auf dem Bürgersteig und klopft sich gedanklich auf die Schultern.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Einen Moment bitte
RAU
Das hat er gesagt und ist dann nach hinten verschwunden. Nun sitzt sie da und staunt nicht schlecht oder ist irritiert und mehr als das? Im Grunde genommen ist sie verstört, das trifft es am besten. Einen Moment bitte, so altmodisch klingt es, so höflich, nicht entschuldige oder sorry oder warte mal kurz.
Sie nippt an ihrem Kaffee und sieht seine leere Tasse auf dem Tisch. Sonst ist nichts von ihm. Über eine Stunde sitzen sie schon hier, haben eine Tomatensuppe gegessen, sich einen Flammkuchen geteilt und noch einen Kaffee bestellt. Haben geredet und gelacht, sich aus ihren Leben erzählt und sogar so etwas wie Pläne gemacht. Wenn sie sich so gut auskenne in der Stadt, könnten sie ja mal zusammen mit dem Rad … er wolle viel kennenlernen, hat er gesagt.
Er wohnt erst seit Kurzem in der Stadt, hat einen sicheren Job, zwei Kinder und ist geschieden. Genau wie sie. Alter, Größe, Herkunft passen, die Interessen auch. Eine gute Portion Humor und feine, schmale Hände hat er, wache Augen und überhaupt. Eigentlich gefällt ihr alles an ihm. Seit zehn Tagen kennen sie sich, gerade haben sie ihr drittes Treffen. Auch dieses Mal ist sie noch aufgeregt, und der Kaffee trägt nicht unbedingt dazu bei, dass sie ruhiger wird.
Und nun das. Einen Moment bitte. Muss er ein dringendes Telefonat machen, oder hat sie eben nicht aufgepasst? Natürlich hat sie Zeit, einen Moment lang zu warten, weil er am Abend noch etwas Wichtiges zu tun hat oder regeln muss. Warum nicht? Aber ist da nicht auch etwas in seinem Blick gewesen und in seiner Mimik, das ihr jetzt zu denken gibt? Hat er wirklich noch so aufmerksam und zugewandt gewirkt wie bei den beiden letzten Treffen und ist er mit seinen wachen Augen nicht doch ziemlich oft im Bistro unterwegs gewesen? Sie will anfangs nicht zu zimperlich sein, keineswegs, aber doch höchst konzentriert, denn das hier wird keine Lappalie werden, ganz egal wie es weitergehen wird. Dazu hat er zu viel von dem, was ihr gefällt und darüber hinaus noch eine Menge von dem, was ihr gefährlich werden könnte. Das riecht sie mittlerweile, denn damit kennt sie sich aus, mit charmanten Männern, die den ersten Akt meisterlich beherrschen und die Frau dabei regelrecht um den Finger wickeln, um sie dann sehr bald und sehr lange zappeln und leiden zu lassen. Wieder denkt sie an seine unruhigen Augen, die einerseits sehr wach sind, doch gleichzeitig auch alles andere checken. Und an den leicht spöttischen Zug um den Mund, als sie von ihrem Job und den Schwierigkeiten mit ihrem Chef erzählt hat. Und hat er nicht doch ein bisschen viel von sich berichtet, wie toll seine Arbeit laufe, wie gut er sich mit den Kindern versteht, wie entspannt mit der Exfrau?
Einen Moment zu warten ist nicht schwer, ihn falsch zu verstehen kann sehr lange schmerzen. So legt sie Geld auf den Tisch, nimmt Tasche und Mantel und geht zur anderen Tür hinaus. Nochmal Glück gehabt, denkt sie draußen auf dem Bürgersteig und klopft sich gedanklich auf die Schultern.