Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Ein geschenkter Tag
RAU
Und nun? Gestern hatte sie noch einen Plan für den heutigen Samstag, und jetzt? Konrad bekam schon um acht Uhr einen Anruf vom Pflegeheim seiner Mutter, er solle doch bitte vorbeikommen. Sofort zog er den Mantel über, stieg ins Auto und meinte, sie solle sich einen schönen Tag machen.
„Ja, mache ich, und sage bitte liebe Grüße“, sagte sie, küsste ihn zum Abschied und ging ins Bad.
Und nun? Frühstücken oder Laufen? Aufräumen oder raus? Jemanden sehen oder irgendetwas anschauen? Beim Zähneputzen blickt sie aus dem Fenster, es sieht nach einem einigermaßen schönen Tag aus, und geht in Gedanken FreundInnen, Ausstellungen und Filme durch. Aber so kurzfristig hat heute ja niemand mehr Zeit, spontan war früher.
Was nun? Betten machen, anziehen und dann? Die Unterlagen für die kommende Woche vorbereiten? Steuer machen? Soweit kommt’s noch. Die Blumen auf dem Balkon? Rausgehen oder Lesen? Rad aufpumpen, Kühlschrank säubern, Wäsche? Wäsche geht immer, also rein damit. Hunger? Noch nicht. Eingekauft ist alles. Was wird mit ihrer Schwiegermutter sein? Immerhin ist sie auch schon 86 und leicht dement, was wird mit Konrad im Alter sein, was mit ihr?
Laufsachen anziehen? Da gibt es doch diesen neuen Podcast … und dieses neue Buch von …, wie heißt es nur gleich wieder? Sie könnte nach dem Laufen in die Buchhandlung gehen und dann nebenan im kleinen Cafe ein leckeres Rührei essen. Erst mal unter die Dusche, also ist’s mit dem Laufen entschieden, das kommt morgen wieder dran. Konrad wird doch wohl abends wieder zurück sein? Es tut ihr leid für ihn, die Anrufe vom Heim kommen jetzt häufiger, er ist ihr einziger Sohn und hat sich doch nie so wirklich gut mit ihr verstanden. Wie wird es ihr später mal gehen mit ihren drei Kindern? Wer wird da sein? Hoffentlich überlebt sie alle, wird Konrad vor ihr gehen?
Cut. Schnell anziehen und raus aufs Rad. Und nach dem Cafe? In ein paar Läden schauen, ob ihr was gefällt? Planlos durch die Stadt radeln oder in den Regio steigen und mal wieder raus aufs Land? Was ist nur los? Der Tag wird anders ablaufen als gedacht, ok. Warum dann jetzt diese vielen Fragen und seltsame Gedanken? Wie eine Getriebene in einem schnell drehenden Hamsterrad kommt sie sich vor. Ist doch nicht mehr normal, kann sie denn gar nicht mehr … leichtes Herzrasen.
Cut. Ab aufs Sofa, aber sofort, in die weiche Decke kuscheln und Augen zu. Das hilft immer. Ohm. Ich muss überhaupt nichts. Ohm. Gar nichts muss ich. Ohm.
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Ein geschenkter Tag
RAU
Und nun? Gestern hatte sie noch einen Plan für den heutigen Samstag, und jetzt? Konrad bekam schon um acht Uhr einen Anruf vom Pflegeheim seiner Mutter, er solle doch bitte vorbeikommen. Sofort zog er den Mantel über, stieg ins Auto und meinte, sie solle sich einen schönen Tag machen.
„Ja, mache ich, und sage bitte liebe Grüße“, sagte sie, küsste ihn zum Abschied und ging ins Bad.
Und nun? Frühstücken oder Laufen? Aufräumen oder raus? Jemanden sehen oder irgendetwas anschauen? Beim Zähneputzen blickt sie aus dem Fenster, es sieht nach einem einigermaßen schönen Tag aus, und geht in Gedanken FreundInnen, Ausstellungen und Filme durch. Aber so kurzfristig hat heute ja niemand mehr Zeit, spontan war früher.
Was nun? Betten machen, anziehen und dann? Die Unterlagen für die kommende Woche vorbereiten? Steuer machen? Soweit kommt’s noch. Die Blumen auf dem Balkon? Rausgehen oder Lesen? Rad aufpumpen, Kühlschrank säubern, Wäsche? Wäsche geht immer, also rein damit. Hunger? Noch nicht. Eingekauft ist alles. Was wird mit ihrer Schwiegermutter sein? Immerhin ist sie auch schon 86 und leicht dement, was wird mit Konrad im Alter sein, was mit ihr?
Laufsachen anziehen? Da gibt es doch diesen neuen Podcast … und dieses neue Buch von …, wie heißt es nur gleich wieder? Sie könnte nach dem Laufen in die Buchhandlung gehen und dann nebenan im kleinen Cafe ein leckeres Rührei essen. Erst mal unter die Dusche, also ist’s mit dem Laufen entschieden, das kommt morgen wieder dran. Konrad wird doch wohl abends wieder zurück sein? Es tut ihr leid für ihn, die Anrufe vom Heim kommen jetzt häufiger, er ist ihr einziger Sohn und hat sich doch nie so wirklich gut mit ihr verstanden. Wie wird es ihr später mal gehen mit ihren drei Kindern? Wer wird da sein? Hoffentlich überlebt sie alle, wird Konrad vor ihr gehen?
Cut. Schnell anziehen und raus aufs Rad. Und nach dem Cafe? In ein paar Läden schauen, ob ihr was gefällt? Planlos durch die Stadt radeln oder in den Regio steigen und mal wieder raus aufs Land? Was ist nur los? Der Tag wird anders ablaufen als gedacht, ok. Warum dann jetzt diese vielen Fragen und seltsame Gedanken? Wie eine Getriebene in einem schnell drehenden Hamsterrad kommt sie sich vor. Ist doch nicht mehr normal, kann sie denn gar nicht mehr … leichtes Herzrasen.
Cut. Ab aufs Sofa, aber sofort, in die weiche Decke kuscheln und Augen zu. Das hilft immer. Ohm. Ich muss überhaupt nichts. Ohm. Gar nichts muss ich. Ohm.