Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Eigentlich
WIE
Am liebsten würde ich jeden meiner Texte mit diesem Wort beginnen: „Eigentlich sollte es ein ganz ruhiges Wochenende werden…“. „Eigentlich dachten wir, alles wird gut …“. „Eigentlich glaubten wir, dass es immer so weitergeht …“.
Ich weiß aber, dass man Texte niemals mit dem Wort eigentlich beginnen soll. Das gehört zu den wenigen Grundsätzen, die Schreibende beachten sollten. Will man sich mal an einen Verlag wenden, um einen Text unterzubringen, sollte man mit dem Wort eigentlich jedenfalls nicht beginnen. Sonst wird man schnell mit der ersten Zeile bereits abgelehnt, bevor es mit dem Lesen überhaupt losgeht. Eigentlich zählt zu den Füllworten, die in der Alltagssprache unersetzbar sind, wie viele andere kleine Worte, die einfach zum Sprechen dazu gehören, aber beim Schriftlichen nicht gerne gesehen werden.
Doch im Zeitalter der Selbstoptimierung und Selbstverwirklichung ist das Eigentlich nicht wegzudenken.
Eigentlich müsste ich viel öfters ...
Eigentlich sollte ich schon längst ...
Eigentlich wollte ich früher immer schon ...
Eigentlich interessiere ich mich mehr für ihn …
Eigentlich bin ich eher der Typ ...
Dieses Eigentlich betrifft die Dinge im Leben, die man zu wenig oder gar nicht gemacht hat. Dieses Eigentlich soll von Selbsterkenntnis zeugen, was immer gut ist, denn Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.
Es gibt aber auch Menschen, die kommen gänzlich ohne das Wort eigentlich aus. Aber da bin ich immer etwas skeptisch. Zumindest bei denjenigen, die von sich sagen, sie wohnen im dem Haus, von dem sie immer geträumt haben, mit der Frau und den Kindern, die sie sich immer erträumt haben, arbeiten in dem Beruf, den sie sich immer gewünscht haben, in der Gegend, in der sie immer sein wollten. Das ist dann auch verdächtig, dieses Fehlen von Alternativen auf der ganzen Strecke.
Ich dagegen hänge eher am Wort Eigentlich. Was nicht automatisch bedeutet, dass ich im falschen Zug sitze, im falschen Beruf, in der falschen Stadt mit den falschen Menschen und viel lieber alles ganz anders machen würde.
Nein, wir sollten dieses Eigentlich weniger für unsere privates Dasein nutzen, als vielmehr für die großen Fragen, die anstehen:
Eigentlich haben wir schon längst gewusst, dass wir nicht nur unsere Reserven verbrennen, sondern auch noch unwiederbringlich die Welt damit aufheizen.
Eigentlich wissen wir, dass wir uns an Wohlstand und Wachstum klammen, was uns davon abhält, das zu tun, was wir tun müssten.
Eigentlich reichen die vielen kleinen neuen Öko- und Bio-Anschaffungen nicht aus, um das zu stoppen, was auf uns zurollt.
Eigentlich sind die meisten Bemühungen nur Tropfen auf den heißen Stein, der auch noch rapide heißer wird.
Eigentlich wissen wir nicht, wie wir uns mit unserem Bedürfnis nach Abwechslung, Reisen und Kultur einschränken sollen und sind froh über jeden Grund, es weiter zu machen.
Dieses Eigentlich, das die andere Sicht betrifft. Das Eigentlich, das die Umkehr des Gängigen und der eigenen Meinung verlangt. Das Eigentlich, von dem wir schon lange wissen, dass es das gibt, das Dahinter, das Weiter in näherer Zukunft. Dieses Eigentlich ist schwieriger und verlangt viel mehr, als es uns lieb ist.
Aber eigentlich wissen wir nicht, warum es so schwer fällt.
Texte zum Alltäglichen -
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Eigentlich
WIE
Am liebsten würde ich jeden meiner Texte mit diesem Wort beginnen: „Eigentlich sollte es ein ganz ruhiges Wochenende werden…“. „Eigentlich dachten wir, alles wird gut …“. „Eigentlich glaubten wir, dass es immer so weitergeht …“.
Ich weiß aber, dass man Texte niemals mit dem Wort eigentlich beginnen soll. Das gehört zu den wenigen Grundsätzen, die Schreibende beachten sollten. Will man sich mal an einen Verlag wenden, um einen Text unterzubringen, sollte man mit dem Wort eigentlich jedenfalls nicht beginnen. Sonst wird man schnell mit der ersten Zeile bereits abgelehnt, bevor es mit dem Lesen überhaupt losgeht. Eigentlich zählt zu den Füllworten, die in der Alltagssprache unersetzbar sind, wie viele andere kleine Worte, die einfach zum Sprechen dazu gehören, aber beim Schriftlichen nicht gerne gesehen werden.
Doch im Zeitalter der Selbstoptimierung und Selbstverwirklichung ist das Eigentlich nicht wegzudenken.
Eigentlich müsste ich viel öfters ...
Eigentlich sollte ich schon längst ...
Eigentlich wollte ich früher immer schon ...
Eigentlich interessiere ich mich mehr für ihn …
Eigentlich bin ich eher der Typ ...
Dieses Eigentlich betrifft die Dinge im Leben, die man zu wenig oder gar nicht gemacht hat. Dieses Eigentlich soll von Selbsterkenntnis zeugen, was immer gut ist, denn Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.
Es gibt aber auch Menschen, die kommen gänzlich ohne das Wort eigentlich aus. Aber da bin ich immer etwas skeptisch. Zumindest bei denjenigen, die von sich sagen, sie wohnen im dem Haus, von dem sie immer geträumt haben, mit der Frau und den Kindern, die sie sich immer erträumt haben, arbeiten in dem Beruf, den sie sich immer gewünscht haben, in der Gegend, in der sie immer sein wollten. Das ist dann auch verdächtig, dieses Fehlen von Alternativen auf der ganzen Strecke.
Ich dagegen hänge eher am Wort Eigentlich. Was nicht automatisch bedeutet, dass ich im falschen Zug sitze, im falschen Beruf, in der falschen Stadt mit den falschen Menschen und viel lieber alles ganz anders machen würde.
Nein, wir sollten dieses Eigentlich weniger für unsere privates Dasein nutzen, als vielmehr für die großen Fragen, die anstehen:
Eigentlich haben wir schon längst gewusst, dass wir nicht nur unsere Reserven verbrennen, sondern auch noch unwiederbringlich die Welt damit aufheizen.
Eigentlich wissen wir, dass wir uns an Wohlstand und Wachstum klammen, was uns davon abhält, das zu tun, was wir tun müssten.
Eigentlich reichen die vielen kleinen neuen Öko- und Bio-Anschaffungen nicht aus, um das zu stoppen, was auf uns zurollt.
Eigentlich sind die meisten Bemühungen nur Tropfen auf den heißen Stein, der auch noch rapide heißer wird.
Eigentlich wissen wir nicht, wie wir uns mit unserem Bedürfnis nach Abwechslung, Reisen und Kultur einschränken sollen und sind froh über jeden Grund, es weiter zu machen.
Dieses Eigentlich, das die andere Sicht betrifft. Das Eigentlich, das die Umkehr des Gängigen und der eigenen Meinung verlangt. Das Eigentlich, von dem wir schon lange wissen, dass es das gibt, das Dahinter, das Weiter in näherer Zukunft. Dieses Eigentlich ist schwieriger und verlangt viel mehr, als es uns lieb ist.
Aber eigentlich wissen wir nicht, warum es so schwer fällt.