Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Dinge, die verschwinden
WIE
Mittags bin ich seit langem mal wieder mit Karin, die ich schon aus alten WG-Zeiten kenne, im Café verabredet. Mir fällt auf, wie selbstverständlich wir beide als Erstes unsere Smartphones auf den Tisch legen. Beide sind wir gewiss, dass es sich nicht lohnt, sie weg zu packen, wenn wir sie in den nächsten Minuten wieder brauchen werden.
Wo sind die typischen Gesten aus alten Zeiten geblieben, als es noch Sinn machte, den eigenen Schlüssel oder Sonstiges zu suchen und Rauchuntensilien, Kalender oder Kugelschreiber auf den Tisch zu legen? Das alles gehört vergangenen Zeiten an.
„Gar keine Handtasche mehr?“, frage ich Karin etwas verwundert.
„Na hör mal, du trägst auch schon seit längerem keine Mäntel, Jacketts oder Hosen mehr, in denen sich die Taschen ausbeulen. Oder hast Du schon mal darüber nachgedacht, warum gerade jetzt die Anzugsmode mit äußerst knappen, eng anliegenden Schnitten auskommt?“
Obwohl ich derartige Anzüge nicht trage, ist es mir natürlich aufgefallen. „Vielleicht, weil ja selbst der Autoschlüssel bei den neuen Modellen wegfällt, und auch für das Büro und anderen Dinge eine kleine Karte reicht“, sage ich.
„Man könnte auch von einer neuen Leichtigkeit des Seins sprechen,“ meint Karin.
Dass wir beide in der folgenden Stunde im Café dennoch keine Leichtigkeit des Seins verspüren, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass jederzeit ein Vibrieren, Piepsen oder Klingeln unsere Aufmerksamkeit einfordern könnte. Wie lange ist es schon her, dass es die eigenen Kinder waren, die diese Aufgabe übernahmen.
"Hast du eigentlich noch dein super Schweizer Taschenmesser?", fragt sie, "das hattest du selbst, als deine Kinder klein waren. Weil du von den vierundzwanzig Werkzeugen fasziniert warst. Auch wenn du das Meiste gar nicht gebraucht hast, und sich die vielen Spezialklingen nur schwer öffnen ließen, was es dann ja auch irgendwie kindersicher machte.“
Die kleine Faszination für Helfershelfer ist geblieben, denke ich und schaue auf meine App-Sammlung: Taschenlampe, Schrittzähler, Anrufbeantworter, Stadtplan, Kalender, Stoppuhr, Wecker, Spiegel, MP3 Player, Gitarrenstimmer, Barometer, Thermometer.
„Sollen wie mal unsere Apps vergleichen?“, frage ich.
„Nein, bitte nicht. Früher hatte ich auch Pfefferspray in meiner Handtasche, heute telefoniere ich einfach, falls ich mich zu später Stunde in einer dubiosen Gegend unsicher fühlen“, antwortet sie.
„Früher hatte ich Angst, mich in einer Wartesituation eingesperrt zu fühlen und hatte vorsichtshalber immer ein Taschenbuch dabei. Heute fühle mich nicht eingesperrt, solange ich Netz habe.“
Wir scannen den QR Code auf dem Tisch, laden die Speisekarte herunter, ich schaue auf die Stau-App, Karin auf die S-Bahn-App, danach ein Blick auf die Kalender App.
„Du sag mal, wie geht es dir eigentlich so?“, fragt sie.
„Das ist eine lange Geschichte, wenn ich alles erzählen wollte.“
„Entschuldige mich einen Moment, ich muss da eben noch eine Mail beantworten“, Karin entsperrt ihr Handy.„Klar, kein Problem“, antworte ich. Für den Fall, dass es länger dauert, entsperre ich vorsichtshalber auch schon mal mein Handy.
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Dinge, die verschwinden
WIE
Mittags bin ich seit langem mal wieder mit Karin, die ich schon aus alten WG-Zeiten kenne, im Café verabredet. Mir fällt auf, wie selbstverständlich wir beide als Erstes unsere Smartphones auf den Tisch legen. Beide sind wir gewiss, dass es sich nicht lohnt, sie weg zu packen, wenn wir sie in den nächsten Minuten wieder brauchen werden.
Wo sind die typischen Gesten aus alten Zeiten geblieben, als es noch Sinn machte, den eigenen Schlüssel oder Sonstiges zu suchen und Rauchuntensilien, Kalender oder Kugelschreiber auf den Tisch zu legen? Das alles gehört vergangenen Zeiten an.
„Gar keine Handtasche mehr?“, frage ich Karin etwas verwundert.
„Na hör mal, du trägst auch schon seit längerem keine Mäntel, Jacketts oder Hosen mehr, in denen sich die Taschen ausbeulen. Oder hast Du schon mal darüber nachgedacht, warum gerade jetzt die Anzugsmode mit äußerst knappen, eng anliegenden Schnitten auskommt?“
Obwohl ich derartige Anzüge nicht trage, ist es mir natürlich aufgefallen. „Vielleicht, weil ja selbst der Autoschlüssel bei den neuen Modellen wegfällt, und auch für das Büro und anderen Dinge eine kleine Karte reicht“, sage ich.
„Man könnte auch von einer neuen Leichtigkeit des Seins sprechen,“ meint Karin.
Dass wir beide in der folgenden Stunde im Café dennoch keine Leichtigkeit des Seins verspüren, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass jederzeit ein Vibrieren, Piepsen oder Klingeln unsere Aufmerksamkeit einfordern könnte. Wie lange ist es schon her, dass es die eigenen Kinder waren, die diese Aufgabe übernahmen.
"Hast du eigentlich noch dein super Schweizer Taschenmesser?", fragt sie, "das hattest du selbst, als deine Kinder klein waren. Weil du von den vierundzwanzig Werkzeugen fasziniert warst. Auch wenn du das Meiste gar nicht gebraucht hast, und sich die vielen Spezialklingen nur schwer öffnen ließen, was es dann ja auch irgendwie kindersicher machte.“
Die kleine Faszination für Helfershelfer ist geblieben, denke ich und schaue auf meine App-Sammlung: Taschenlampe, Schrittzähler, Anrufbeantworter, Stadtplan, Kalender, Stoppuhr, Wecker, Spiegel, MP3 Player, Gitarrenstimmer, Barometer, Thermometer.
„Sollen wie mal unsere Apps vergleichen?“, frage ich.
„Nein, bitte nicht. Früher hatte ich auch Pfefferspray in meiner Handtasche, heute telefoniere ich einfach, falls ich mich zu später Stunde in einer dubiosen Gegend unsicher fühlen“, antwortet sie.
„Früher hatte ich Angst, mich in einer Wartesituation eingesperrt zu fühlen und hatte vorsichtshalber immer ein Taschenbuch dabei. Heute fühle mich nicht eingesperrt, solange ich Netz habe.“
Wir scannen den QR Code auf dem Tisch, laden die Speisekarte herunter, ich schaue auf die Stau-App, Karin auf die S-Bahn-App, danach ein Blick auf die Kalender App.
„Du sag mal, wie geht es dir eigentlich so?“, fragt sie.
„Das ist eine lange Geschichte, wenn ich alles erzählen wollte.“
„Entschuldige mich einen Moment, ich muss da eben noch eine Mail beantworten“, Karin entsperrt ihr Handy.„Klar, kein Problem“, antworte ich. Für den Fall, dass es länger dauert, entsperre ich vorsichtshalber auch schon mal mein Handy.