Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Cargohosen
WIE
Wir stehen bei Heidrun und Markus im Eingang. Heute Abend soll es gemeinsam auf eine Vernissage gehen. Als auch Markus fertig ist, höre ich Heidrun genervt fragen: „Du willst doch nicht etwa mit dieser Hose auf eine Vernissage gehen?“
Markus kommt gerade die Treppe herunter, er trägt eine dunkelgrüne Cargohose, jene weit geschnitten Hosen mit großen Taschen auf den Oberschenkeln.
„Warum nicht? Cargohosen sind mittlerweile gesellschaftsfähig“, lautet seine Antwort, „und außerdem sind sie äußerst praktisch, auch an Abenden wie diesen, Handy, Schlüssel, Hundeleckerli, alles lässt sich dort verstauen.“
„Äußerst praktisch ist aber kein Argument“, entgegnet Heidrun, „dann könnten wir alle in Bademänteln rumlaufen, die sind auch äußerst praktisch, für drinnen wie für draußen.“
Ich überlege kurz, ob das Argument praktisch wirklich zählt, zumal Heidrun uns gerade zuflüstert: „Und mir schlägt er immer wieder vor, doch die Schuhe mit den hohen Absätzen anzuziehen. Und wenn ich dann sage, die sind aber unpraktisch, antwortet er, die sind aber sehr schick.“
Markus sieht sich noch einmal im Spiegel an, dreht und wendet sich und scheint weiterhin Gefallen an seinem Outfit zu finden.
Doch Heidrun argumentiert weiter: „Wenn ein Starkstromelektriker so eine Hose trägt, bevor er auf den Hochspannungsmast klettert, weil er dort alles Wichtige unterbringt um die Hände frei zu haben, dann verstehe ich, dass er so eine Hose an hat.“
Im letzten Urlaub mit dem Rad hatte ich auch eine Cargohose an. Sehr praktisch, Fahrradlichter, Sonnenbrille, Handy, Portemonnaie und Flickzeug lässt sich dort unterbringen, denke ich, sage aber nichts.
„Muss man wirklich auf einem Galerienbummel mit so großen Taschen auf den Oberschenkeln rumlaufen, wo alles so rumbaumelt, als hätte man volle Windeln?", fragt Heidrun weiter.
Jetzt schalte ich mich doch mal ein, ohne zu wissen, worauf es hinauslaufen wird: „Vieles äußerst Erfolgreiche in der Mode hat anfangs nicht wirklich schick ausgesehen. Und was ursprünglich nur praktisch gedacht war, hat dann doch zu Weltruhm gefunden. Zum Beispiel Baseballkappen, nur für LKW-Fahrer auf den Highways konstruiert. Oder Bluejeans, robuste Arbeitshosen ohne Bundfalten, stattdessen mit Nieten an allen wichtigen Stellen. Oder schau dir die aktuelle Schuhmode der Frauen an, die die Ausmaße von Fallschirmspringerstiefeln haben.“
„Da muss ich dir recht geben, die finde ich auch unförmig“, meint Heidrun, „ich frage mich immer, ob immer mehr Frauen zum Nebenerwerb als Wildhüter oder beim Tiefbauamt arbeiten müssen.“
„Ich kann aber Frauen auch verstehen, die gerne diese stabilen Schuhe tragen, statt nur in Pumps rumzulaufen. Andererseits weiß ich nicht, warum Männer mittlerweile diese hoch geschnürten Schuhen tragen, dann aber mit offenen Schnürsenkeln,“ wende ich ein, ohne genau zu wissen, worauf ich eigentlich hinauswill.
„Beuys trug übrigens auch immer seine Anglerweste mit großen Taschen zum weißen Hemd“, lautet der letzte Versuch von Markus, sich und seine Cargohosen zu rechtfertigen.
„Nicht jeder Mensch ist ein Künstler“, zitiert Heidrun den großen Meister, wenn auch in leicht abgeänderter Form, "können wir jetzt gehen?“
„Warte, ich zieh noch schnell was anderes an“, lenkt Markus ein.
„Jetzt lass, wir kommen sonst zu spät.“
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Cargohosen
WIE
Wir stehen bei Heidrun und Markus im Eingang. Heute Abend soll es gemeinsam auf eine Vernissage gehen. Als auch Markus fertig ist, höre ich Heidrun genervt fragen: „Du willst doch nicht etwa mit dieser Hose auf eine Vernissage gehen?“
Markus kommt gerade die Treppe herunter, er trägt eine dunkelgrüne Cargohose, jene weit geschnitten Hosen mit großen Taschen auf den Oberschenkeln.
„Warum nicht? Cargohosen sind mittlerweile gesellschaftsfähig“, lautet seine Antwort, „und außerdem sind sie äußerst praktisch, auch an Abenden wie diesen, Handy, Schlüssel, Hundeleckerli, alles lässt sich dort verstauen.“
„Äußerst praktisch ist aber kein Argument“, entgegnet Heidrun, „dann könnten wir alle in Bademänteln rumlaufen, die sind auch äußerst praktisch, für drinnen wie für draußen.“
Ich überlege kurz, ob das Argument praktisch wirklich zählt, zumal Heidrun uns gerade zuflüstert: „Und mir schlägt er immer wieder vor, doch die Schuhe mit den hohen Absätzen anzuziehen. Und wenn ich dann sage, die sind aber unpraktisch, antwortet er, die sind aber sehr schick.“
Markus sieht sich noch einmal im Spiegel an, dreht und wendet sich und scheint weiterhin Gefallen an seinem Outfit zu finden.
Doch Heidrun argumentiert weiter: „Wenn ein Starkstromelektriker so eine Hose trägt, bevor er auf den Hochspannungsmast klettert, weil er dort alles Wichtige unterbringt um die Hände frei zu haben, dann verstehe ich, dass er so eine Hose an hat.“
Im letzten Urlaub mit dem Rad hatte ich auch eine Cargohose an. Sehr praktisch, Fahrradlichter, Sonnenbrille, Handy, Portemonnaie und Flickzeug lässt sich dort unterbringen, denke ich, sage aber nichts.
„Muss man wirklich auf einem Galerienbummel mit so großen Taschen auf den Oberschenkeln rumlaufen, wo alles so rumbaumelt, als hätte man volle Windeln?", fragt Heidrun weiter.
Jetzt schalte ich mich doch mal ein, ohne zu wissen, worauf es hinauslaufen wird: „Vieles äußerst Erfolgreiche in der Mode hat anfangs nicht wirklich schick ausgesehen. Und was ursprünglich nur praktisch gedacht war, hat dann doch zu Weltruhm gefunden. Zum Beispiel Baseballkappen, nur für LKW-Fahrer auf den Highways konstruiert. Oder Bluejeans, robuste Arbeitshosen ohne Bundfalten, stattdessen mit Nieten an allen wichtigen Stellen. Oder schau dir die aktuelle Schuhmode der Frauen an, die die Ausmaße von Fallschirmspringerstiefeln haben.“
„Da muss ich dir recht geben, die finde ich auch unförmig“, meint Heidrun, „ich frage mich immer, ob immer mehr Frauen zum Nebenerwerb als Wildhüter oder beim Tiefbauamt arbeiten müssen.“
„Ich kann aber Frauen auch verstehen, die gerne diese stabilen Schuhe tragen, statt nur in Pumps rumzulaufen. Andererseits weiß ich nicht, warum Männer mittlerweile diese hoch geschnürten Schuhen tragen, dann aber mit offenen Schnürsenkeln,“ wende ich ein, ohne genau zu wissen, worauf ich eigentlich hinauswill.
„Beuys trug übrigens auch immer seine Anglerweste mit großen Taschen zum weißen Hemd“, lautet der letzte Versuch von Markus, sich und seine Cargohosen zu rechtfertigen.
„Nicht jeder Mensch ist ein Künstler“, zitiert Heidrun den großen Meister, wenn auch in leicht abgeänderter Form, "können wir jetzt gehen?“
„Warte, ich zieh noch schnell was anderes an“, lenkt Markus ein.
„Jetzt lass, wir kommen sonst zu spät.“