Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Braunes Rauschen
WIE
Ein Geburtstagtreffen mit guten, langjährigen Freunden und mit allem was dazu gehört. Gabi und Helmut sind auch wieder dabei. Sie haben als einzige diese Regelmäßigkeit der Treffen unterbrochen. Über vier Jahre waren sie für ein Entwicklungsprojekt des Ministeriums in Bangladesch. Und jetzt ist die Runde wieder vollständig, alles ist normal, bekannt und vertraut.
Bei Gabi und Helmut ist es allerdings anders. Heute wird jedes Glas Kölsch, jede Frikadelle, der Kartoffelsalat wie auch der scharfe Senf mit einem „oh, ihr wisst gar nicht, wie wir das vermisst haben“, begrüßt. Ein Strauß Tulpen, ein gut riechender Filterkaffee genauso wie jede rheinische Redewendung, alles ruft ihr Erstaunen hervor, an dem sie alle gerne teilnehmen lassen. Gabi erzählt, wie sie heute Morgen WDR 4 gehört habe, und wir uns bestimmt nicht vorstellen könnten, was das mit ihr gemacht hat, die Lieder, die Stimmen der Moderatoren, die Erkennungsmelodien, ja selbst die Staunachrichten, ein Genuss.
Vorgestern habe ich selber auf der A3 im Stau meinen Stress zu beruhigen versucht, indem ich WDR 4 einschaltete. Und tatsächlich, jedes Lied, das sie dort spielten, kannte ich, genauso wie die Autobahnausfahrten und -kreuze, Städte und Ortsnamen, die sie in den Nachrichten und Staumeldungen erwähnten. Dazu lese ich die vertrauten Namen von Firmen, Logos, und Werbesprüche auf den LKWs. Alles gehört zur Bühne des Alltags, auf der man sich bewegt. Requisiten, die ich nicht ausgesucht habe, sondern die einfach da sind.
Und während ich noch darüber nachdenke, höre ich plötzlich recht unvermittelt die Frage: „Habt ihr schon mal vom Braunen Rauschen gehört?“
„Nein, muss man das kennen?“, wird die Gegenfrage gestellt.
„Ja, man liest doch plötzlich überall davon…“.
Ich überlege, was ich mir unter braunem Rauschen vorstellen soll. Früher drehte wir am Sendeknopf des großen Röhrenradios im Wohnzimmer, die meiste Zeit war dann vor allem ein sattes, schweres Rauschen zu hören. Aber ob das gemeint ist? Was ist braunes Rauschen, frage ich mich. Eher wie die Farbe in einem Wasserglas, in dem der Pinsel unzählige Meal eingetaucht und ausgewaschen wurde, so dass statt leuchtender Farben nur ein kakau-braunes, farbloses Irgendetwas übrig bleibt.
So ist es meistens für mich und vielleicht auch für alle, die hier geblieben sind. Ein Mischmasch, das einfach da ist, obwohl jede einzelne Farbe leuchten könnte, wenn es nicht im Wasserglas des Alltäglichen unterginge. Ich muss an meine eigenen, kleinen Heimkehrsituationen denken. Oftmals reichen die wenige Wochen eines Urlaubs in einem etwas entfernteren Land, und plötzlich sind weiße Nummernschilder mit schwarzer Schrift wieder auffällig, die Straßenmarkierungen kommen mir breiter vor, die Briefkästen gelber und einfacher, die Straßenschilder zahlreicher, die Straßenlaternen stabiler und die Bürgersteige gerader.
Diese unzähligen kleinen Maßstäbe, die einem erst auffallen, wenn man sich eine Zeitlang mit anderen abgegeben hat. Im alltäglichen Dasein fallen sie nicht auf. Dann sind sie nur ein braunes Rauschen, dass sich leicht ausblenden lässt.
Texte zum Alltäglichen -
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Braunes Rauschen
WIE
Ein Geburtstagtreffen mit guten, langjährigen Freunden und mit allem was dazu gehört. Gabi und Helmut sind auch wieder dabei. Sie haben als einzige diese Regelmäßigkeit der Treffen unterbrochen. Über vier Jahre waren sie für ein Entwicklungsprojekt des Ministeriums in Bangladesch. Und jetzt ist die Runde wieder vollständig, alles ist normal, bekannt und vertraut.
Bei Gabi und Helmut ist es allerdings anders. Heute wird jedes Glas Kölsch, jede Frikadelle, der Kartoffelsalat wie auch der scharfe Senf mit einem „oh, ihr wisst gar nicht, wie wir das vermisst haben“, begrüßt. Ein Strauß Tulpen, ein gut riechender Filterkaffee genauso wie jede rheinische Redewendung, alles ruft ihr Erstaunen hervor, an dem sie alle gerne teilnehmen lassen. Gabi erzählt, wie sie heute Morgen WDR 4 gehört habe, und wir uns bestimmt nicht vorstellen könnten, was das mit ihr gemacht hat, die Lieder, die Stimmen der Moderatoren, die Erkennungsmelodien, ja selbst die Staunachrichten, ein Genuss.
Vorgestern habe ich selber auf der A3 im Stau meinen Stress zu beruhigen versucht, indem ich WDR 4 einschaltete. Und tatsächlich, jedes Lied, das sie dort spielten, kannte ich, genauso wie die Autobahnausfahrten und -kreuze, Städte und Ortsnamen, die sie in den Nachrichten und Staumeldungen erwähnten. Dazu lese ich die vertrauten Namen von Firmen, Logos, und Werbesprüche auf den LKWs. Alles gehört zur Bühne des Alltags, auf der man sich bewegt. Requisiten, die ich nicht ausgesucht habe, sondern die einfach da sind.
Und während ich noch darüber nachdenke, höre ich plötzlich recht unvermittelt die Frage: „Habt ihr schon mal vom Braunen Rauschen gehört?“
„Nein, muss man das kennen?“, wird die Gegenfrage gestellt.
„Ja, man liest doch plötzlich überall davon…“.
Ich überlege, was ich mir unter braunem Rauschen vorstellen soll. Früher drehte wir am Sendeknopf des großen Röhrenradios im Wohnzimmer, die meiste Zeit war dann vor allem ein sattes, schweres Rauschen zu hören. Aber ob das gemeint ist? Was ist braunes Rauschen, frage ich mich. Eher wie die Farbe in einem Wasserglas, in dem der Pinsel unzählige Meal eingetaucht und ausgewaschen wurde, so dass statt leuchtender Farben nur ein kakau-braunes, farbloses Irgendetwas übrig bleibt.
So ist es meistens für mich und vielleicht auch für alle, die hier geblieben sind. Ein Mischmasch, das einfach da ist, obwohl jede einzelne Farbe leuchten könnte, wenn es nicht im Wasserglas des Alltäglichen unterginge. Ich muss an meine eigenen, kleinen Heimkehrsituationen denken. Oftmals reichen die wenige Wochen eines Urlaubs in einem etwas entfernteren Land, und plötzlich sind weiße Nummernschilder mit schwarzer Schrift wieder auffällig, die Straßenmarkierungen kommen mir breiter vor, die Briefkästen gelber und einfacher, die Straßenschilder zahlreicher, die Straßenlaternen stabiler und die Bürgersteige gerader.
Diese unzähligen kleinen Maßstäbe, die einem erst auffallen, wenn man sich eine Zeitlang mit anderen abgegeben hat. Im alltäglichen Dasein fallen sie nicht auf. Dann sind sie nur ein braunes Rauschen, dass sich leicht ausblenden lässt.