Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Aufstehen
RAU
Manchmal wandern die Augen schon durch das Zimmer, bevor der Wecker klingelt, und dann geschieht alles gleichzeitig. Körper aufrichten, Decke zurückwerfen, Füße auf den Boden stellen, kurz recken und durchstrecken, auf und los. Der Tag wartet mit seiner ganzen Fülle.
Dann die anderen Tage, schon vorbei die Nacht? Bitte nicht wieder aufstehen, waschen, anziehen, Frühstück machen und den kleinen Haushalt, Konrad noch einen Kuss auf den Mund drücken und zur Arbeit fahren. Bitte nicht wieder einen langen Tag mit Besprechungen, Kollegenhickhack, Vorgaben vom Chef, neuen Kunden und schwierigen Projekten, angespannter Weltlage, irritierenden Nachrichten von den Töchtern und immer noch keinen vom Sohn. Lieber noch einmal die Decke über den Kopf ziehen, mich einrollen und weiterschlafen, so müde wie ich bin, so kraftlos.
Wann ist die Nacht endlich vorbei, wann habe ich meine Ruhe vor euch schlimmen Gedanken und Träumen? Fliegt doch einfach weiter, das Fenster ist geöffnet, warum könnt ihr mich nicht sein lassen im warmen Bett und gönnt mir nicht die Erholung, die ich so nötig habe. Lasst mich in Frieden, ich mag nicht euretwegen aufstehen und in die Küche gehen, das Licht anschalten, mir einen Tee kochen und irgendwelchen Unsinn lesen, der mich ablenken soll und es nicht tut. Ich will im Bett liegen bleiben, denn hier gehöre ich morgens um fünf hin, und möchte weiterschlafen ohne euch.
Oft bin ich schon wach, bevor ich die Augen öffne. Im wachen Dunkeln sozusagen, eine meiner liebsten Zeiten am Tag. Möchte mich nicht vom Schlaf und seiner Wohligkeit verabschieden, möchte mich noch ein wenig einkringeln, das weiche Kissen und die Wärme meines Körpers spüren. An Dies und Das denken, mir schöne Gedanken machen und das Leben nach meinen Wünschen zusammenbasteln wie früher als Kind. Nur meine Gedanken und ich unter der wärmenden Decke.
Wenn ich dann die Augen öffne, sehe ich Konrad und dahinter das Fenster zum Hof mit der großen Kastanie. Sehe seine grauen Haare, vom Schlaf verwuschelt und etwas feucht, die sanft geschlossenen Lippen, Falten auf der Stirn und am Hals, seine Hand liegt unter dem Kinn. Nie während des Tages sieht er so beschützt und friedlich, fast unschuldig aus wie am frühen Morgen. Konrad, mein Mann seit siebenundzwanzig Jahren. Gleich wird er die Augen öffnen und sich an mich drücken. Und ich mich an ihn. Wärme spüren, uns spüren. Noch einmal für einen kurzen Moment die Augen schließen, komme was wolle, wir sind nicht allein. Hoffentlich noch lange.
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Aufstehen
RAU
Manchmal wandern die Augen schon durch das Zimmer, bevor der Wecker klingelt, und dann geschieht alles gleichzeitig. Körper aufrichten, Decke zurückwerfen, Füße auf den Boden stellen, kurz recken und durchstrecken, auf und los. Der Tag wartet mit seiner ganzen Fülle.
Dann die anderen Tage, schon vorbei die Nacht? Bitte nicht wieder aufstehen, waschen, anziehen, Frühstück machen und den kleinen Haushalt, Konrad noch einen Kuss auf den Mund drücken und zur Arbeit fahren. Bitte nicht wieder einen langen Tag mit Besprechungen, Kollegenhickhack, Vorgaben vom Chef, neuen Kunden und schwierigen Projekten, angespannter Weltlage, irritierenden Nachrichten von den Töchtern und immer noch keinen vom Sohn. Lieber noch einmal die Decke über den Kopf ziehen, mich einrollen und weiterschlafen, so müde wie ich bin, so kraftlos.
Wann ist die Nacht endlich vorbei, wann habe ich meine Ruhe vor euch schlimmen Gedanken und Träumen? Fliegt doch einfach weiter, das Fenster ist geöffnet, warum könnt ihr mich nicht sein lassen im warmen Bett und gönnt mir nicht die Erholung, die ich so nötig habe. Lasst mich in Frieden, ich mag nicht euretwegen aufstehen und in die Küche gehen, das Licht anschalten, mir einen Tee kochen und irgendwelchen Unsinn lesen, der mich ablenken soll und es nicht tut. Ich will im Bett liegen bleiben, denn hier gehöre ich morgens um fünf hin, und möchte weiterschlafen ohne euch.
Oft bin ich schon wach, bevor ich die Augen öffne. Im wachen Dunkeln sozusagen, eine meiner liebsten Zeiten am Tag. Möchte mich nicht vom Schlaf und seiner Wohligkeit verabschieden, möchte mich noch ein wenig einkringeln, das weiche Kissen und die Wärme meines Körpers spüren. An Dies und Das denken, mir schöne Gedanken machen und das Leben nach meinen Wünschen zusammenbasteln wie früher als Kind. Nur meine Gedanken und ich unter der wärmenden Decke.
Wenn ich dann die Augen öffne, sehe ich Konrad und dahinter das Fenster zum Hof mit der großen Kastanie. Sehe seine grauen Haare, vom Schlaf verwuschelt und etwas feucht, die sanft geschlossenen Lippen, Falten auf der Stirn und am Hals, seine Hand liegt unter dem Kinn. Nie während des Tages sieht er so beschützt und friedlich, fast unschuldig aus wie am frühen Morgen. Konrad, mein Mann seit siebenundzwanzig Jahren. Gleich wird er die Augen öffnen und sich an mich drücken. Und ich mich an ihn. Wärme spüren, uns spüren. Noch einmal für einen kurzen Moment die Augen schließen, komme was wolle, wir sind nicht allein. Hoffentlich noch lange.