Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Aufregend mild
WIE
Schreibwaren, Haushalts-, Kurz- oder Stoffwaren, immer schwieriger, sie in einem Geschäft in der Innenstadt zu bekommen. Allenfalls eine winzige Abteilung im Drogeriemarkt oder Billigdiscounts bieten da noch was an. Aber das Angebot an Friseuren, Nagelstudios und die Versorgung mit Brillen oder Hörgeräten nimmt zu. Und die Läden, die etwas Essbares auf der Hand anbieten, verbreiten sich rasant. Nur süß, salzig, fettig, vegetarisch, gebacken, geröstet, frittiert oder eiskalt muss es sein.
Und ganz vereinzelt ein paar neue Geschäfte. Geschäfte, die mit relativ großen Ladenlokalen dann doch nur zwei oder drei Produkte führen. Die gibt es dafür dann aber in unzähligen Variationen. Die letzte Neueröffnung, ein Laden nur für Wolldecken und Reisetaschen. Alles in recht grellen und bunten Farben, Decken und Sofakissen aus regionaler Wolle, Taschen und Reisenecessaires aus alten Surfsegeln genäht und auch entsprechend farbig. Es gibt Menschen, die so was mögen. Aber sind es genug für ein ganzes Geschäft?
Seit längerem schon gibt es ein Geschäft nur für Essig und Öle, in riesigen Glasbehältern schön anzusehen, in unzähligen Farben, Alter und Geschmackskombinationen.
Etwas abgelegen ein Laden mit kleinen südländischen Knabbereien mit Kräutern und Oliven, dazu gibt es noch erlesenen Rotweine, und zwar genau sechs unterschiedliche Sorten. Wenn ich da an das Angebot meiner Weindepothandlung im Gewerbegebiet denke.
Auf der Suche nach einem bestimmten Küchengerät werde ich in einen Laden geschickt, der zwar Küchengeräte führt, die allerdings alle ausschließlich aus Olivenholz sind. Ganz neu ein Geschäft mit handgeformten Seifen, so appetitlich anzusehen, dass man reinbeißen möchte. Dazu gibt es Düfte für Badewasser, Haut und Haar mit exotischen Ingredienzien in leuchtenden Farben. Jedes kann auf seine Art Kreativität fördern, Spiritualität freisetzen oder Wohlbefinden schenken.
Und ein Laden der Schokolade verkauft neue, andere Schokolade, fair gehandelt, nachhaltig produziert und ökologisch kontrolliert, nach unzähligen Geschmacksrichtungen sortiert: Pfeffer und Salz, Meerrettich, Chili Ingwer und vieles mehr.
Die Menschen in diesen Läden sind noch echte Kunden, sie suchen, probieren, sind aufgeschlossen und wissen zu unterscheiden. Es wird gefragt, vorgeschlagen, geraten und kombiniert. Es werden blumige, süßlich herbe und trockene Geschmacksnoten entdeckt. Man trennt den ersten vom zweiten Eindruck, man unterscheidet die Geschmacksentfaltung zu Beginn und später beim Abgang und schwärmt vom Nachklang. Hier sind alle Liebhaber, Kenner, hier treffen sich Gleichgesinnte. Die Verkäufer:innen sind jung, schlank, sportlich auch wenn sie die vielen verführerischen Produkte ständig um sich herum haben. Anders als früher, da war jeder Ladenbesitzer noch übergewichtig, leicht schwitzend, mit Zigarre im Mund und hochrotem Kopf, sie waren der lebende Beweis für die Schwere und Qualität ihrer Produkte. Heute haben die Vorkoster studiert, sind womöglich promoviert. Sie kennen die geheimen Variationen, auf die es ankommt, sie schwärmen von Tipps und Tricks, die ihre Produkte zu etwas ganz Besonderem machen. Der einmalige Duft, das einmalige Aroma, so aufregend mild.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Aufregend mild
WIE
Schreibwaren, Haushalts-, Kurz- oder Stoffwaren, immer schwieriger, sie in einem Geschäft in der Innenstadt zu bekommen. Allenfalls eine winzige Abteilung im Drogeriemarkt oder Billigdiscounts bieten da noch was an. Aber das Angebot an Friseuren, Nagelstudios und die Versorgung mit Brillen oder Hörgeräten nimmt zu. Und die Läden, die etwas Essbares auf der Hand anbieten, verbreiten sich rasant. Nur süß, salzig, fettig, vegetarisch, gebacken, geröstet, frittiert oder eiskalt muss es sein.
Und ganz vereinzelt ein paar neue Geschäfte. Geschäfte, die mit relativ großen Ladenlokalen dann doch nur zwei oder drei Produkte führen. Die gibt es dafür dann aber in unzähligen Variationen. Die letzte Neueröffnung, ein Laden nur für Wolldecken und Reisetaschen. Alles in recht grellen und bunten Farben, Decken und Sofakissen aus regionaler Wolle, Taschen und Reisenecessaires aus alten Surfsegeln genäht und auch entsprechend farbig. Es gibt Menschen, die so was mögen. Aber sind es genug für ein ganzes Geschäft?
Seit längerem schon gibt es ein Geschäft nur für Essig und Öle, in riesigen Glasbehältern schön anzusehen, in unzähligen Farben, Alter und Geschmackskombinationen.
Etwas abgelegen ein Laden mit kleinen südländischen Knabbereien mit Kräutern und Oliven, dazu gibt es noch erlesenen Rotweine, und zwar genau sechs unterschiedliche Sorten. Wenn ich da an das Angebot meiner Weindepothandlung im Gewerbegebiet denke.
Auf der Suche nach einem bestimmten Küchengerät werde ich in einen Laden geschickt, der zwar Küchengeräte führt, die allerdings alle ausschließlich aus Olivenholz sind. Ganz neu ein Geschäft mit handgeformten Seifen, so appetitlich anzusehen, dass man reinbeißen möchte. Dazu gibt es Düfte für Badewasser, Haut und Haar mit exotischen Ingredienzien in leuchtenden Farben. Jedes kann auf seine Art Kreativität fördern, Spiritualität freisetzen oder Wohlbefinden schenken.
Und ein Laden der Schokolade verkauft neue, andere Schokolade, fair gehandelt, nachhaltig produziert und ökologisch kontrolliert, nach unzähligen Geschmacksrichtungen sortiert: Pfeffer und Salz, Meerrettich, Chili Ingwer und vieles mehr.
Die Menschen in diesen Läden sind noch echte Kunden, sie suchen, probieren, sind aufgeschlossen und wissen zu unterscheiden. Es wird gefragt, vorgeschlagen, geraten und kombiniert. Es werden blumige, süßlich herbe und trockene Geschmacksnoten entdeckt. Man trennt den ersten vom zweiten Eindruck, man unterscheidet die Geschmacksentfaltung zu Beginn und später beim Abgang und schwärmt vom Nachklang. Hier sind alle Liebhaber, Kenner, hier treffen sich Gleichgesinnte. Die Verkäufer:innen sind jung, schlank, sportlich auch wenn sie die vielen verführerischen Produkte ständig um sich herum haben. Anders als früher, da war jeder Ladenbesitzer noch übergewichtig, leicht schwitzend, mit Zigarre im Mund und hochrotem Kopf, sie waren der lebende Beweis für die Schwere und Qualität ihrer Produkte. Heute haben die Vorkoster studiert, sind womöglich promoviert. Sie kennen die geheimen Variationen, auf die es ankommt, sie schwärmen von Tipps und Tricks, die ihre Produkte zu etwas ganz Besonderem machen. Der einmalige Duft, das einmalige Aroma, so aufregend mild.