Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Aufgehoben
WIE
Ich nehme einen kräftigen Schluck Tee, beiße in den Toast mit Quark und der Lieblingsmarmelade, lehne mich zurück. In Ruhe zu kauen, das ist wichtig. Ein Blick auf das Zeitungsdeckblatt vor mir. Überschriften lesen, da drunter das Wichtigste in Kürze zusammengefasst. Eine Mischung der wichtigsten Nachrichten aus der Region. Meistens beginnt es mit den Worten „Steigende… Zunehmende… Immer mehr…“ oder „Zu wenig ... Knappe … Fallende …“ Und das bezieht sich auf Kosten, Löhne, Baustellen, Wohnraum, Preise, Verbrechen, Arbeitslose, alles was in einer Stadt so anfällt. Alles ist in vertrauter Bewegung, mal besser, mal schlechter als im Vorjahr. Mal verzögert es sich, mal tut sich gar nichts, dann geschieht plötzlich ganz viel auf einmal.
Sicher ist, dass es niemals reicht, nicht zum Stillstand kommt, sich immer wieder neue Baustellen auftun. Trotzdem fühle ich mich darin aufgehoben. Es ist vertraut, wird meistens nicht so schlimm wie vermutet und vieles löst sich von selber. Nicht zuletzt deswegen, weil es neue Probleme gibt, mit deren Hilfe die Probleme des Vortags vergessen werden. Und der Toast mit Marmelade und Quark und der Tee sind ja auch noch da.
Ich richte meinen Blick auf das Handy, da gibt es auch noch was, was zum täglichen Geschehen dazugehört. Meine Anbieter und andere vertrauten Adressen versorgen mich mit ihren Neuigkeiten in Form von Newslettern. Und weil das nichts kostet, werden mir weitere Angebote gemacht, Treppenlifte oder Sportgeräte für mehr Bauchmuskeln, abschraubbare Zahnimplantate und Hörgeräte, Solarpaneele, Powerbanks und akkubetriebene Multifunktionswerkzeuge. Sie erinnern mich daran, worum Männer in meinem Alter sich sorgen sollten. Jetzt sorgt mich gerade nur, dass meine Quarkfinger Spuren auf dem Bildschirm hinterlassen.
Beim Abräumen des Tisches schalte ich das Radio ein. Die Stimmen der Moderatoren sind genauso vertraut wie die Ankündigungsmelodien und Themenmischung. Da kommt Nachdenkliches neben Humoristischem, Historisches, Schockierendes und dann wieder Erfreuliches. Experten dürfen am Telefon mit ruhiger Stimme erzählen, was alles zu bedenken ist und dass man differenzieren muss. Radiohörer dürfen per Telefon dazukommen und mitteilen, was ihrer Ansicht nach zu tun ist, und woran es liegt, das nichts so richtig klappt. Und das sehe ich weitgehend auch so.
Viele Stunden später, am Abend dann, bekomme ich das Gleiche noch einmal serviert. Erst ein paar Börsen- und Baumarktinformationen, kurze Hinweise für alle mit Blähbauch und Schlafstörungen, und dann folgen gut zusammengefasst die Nachrichten. Mit bekannten Gesichtern und vertrauten Stimmen, Argumenten und Statements. Und in Sondersendungen, politischen Talk- und Diskussionsrunden die immer gleichen Fragen, die gleichen Antworten noch mal ausführlicher. Danach ein Film, eine Serie mit vertrauten Schauspielern, Problemen und Auflösungen. Zur späten Stunde dann die selben Personen aus den Vorabenden im Talk, angeblich privat, ehrlich und authentisch. So finde ich es auch äußerst vertraut und versöhnlich, wenn alle noch da sind. Ach wie schön, wie es überall tönt und klingt, es wird geplappert, gestritten, geliebt und gehasst. Und ich bin dabei, mittendrin. Irgendwie lässt es sich gut damit leben. Mein kleiner Urwald, mein Biotop, meine Blase, ich fühle mich aufgehoben.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Aufgehoben
WIE
Ich nehme einen kräftigen Schluck Tee, beiße in den Toast mit Quark und der Lieblingsmarmelade, lehne mich zurück. In Ruhe zu kauen, das ist wichtig. Ein Blick auf das Zeitungsdeckblatt vor mir. Überschriften lesen, da drunter das Wichtigste in Kürze zusammengefasst. Eine Mischung der wichtigsten Nachrichten aus der Region. Meistens beginnt es mit den Worten „Steigende… Zunehmende… Immer mehr…“ oder „Zu wenig ... Knappe … Fallende …“ Und das bezieht sich auf Kosten, Löhne, Baustellen, Wohnraum, Preise, Verbrechen, Arbeitslose, alles was in einer Stadt so anfällt. Alles ist in vertrauter Bewegung, mal besser, mal schlechter als im Vorjahr. Mal verzögert es sich, mal tut sich gar nichts, dann geschieht plötzlich ganz viel auf einmal.
Sicher ist, dass es niemals reicht, nicht zum Stillstand kommt, sich immer wieder neue Baustellen auftun. Trotzdem fühle ich mich darin aufgehoben. Es ist vertraut, wird meistens nicht so schlimm wie vermutet und vieles löst sich von selber. Nicht zuletzt deswegen, weil es neue Probleme gibt, mit deren Hilfe die Probleme des Vortags vergessen werden. Und der Toast mit Marmelade und Quark und der Tee sind ja auch noch da.
Ich richte meinen Blick auf das Handy, da gibt es auch noch was, was zum täglichen Geschehen dazugehört. Meine Anbieter und andere vertrauten Adressen versorgen mich mit ihren Neuigkeiten in Form von Newslettern. Und weil das nichts kostet, werden mir weitere Angebote gemacht, Treppenlifte oder Sportgeräte für mehr Bauchmuskeln, abschraubbare Zahnimplantate und Hörgeräte, Solarpaneele, Powerbanks und akkubetriebene Multifunktionswerkzeuge. Sie erinnern mich daran, worum Männer in meinem Alter sich sorgen sollten. Jetzt sorgt mich gerade nur, dass meine Quarkfinger Spuren auf dem Bildschirm hinterlassen.
Beim Abräumen des Tisches schalte ich das Radio ein. Die Stimmen der Moderatoren sind genauso vertraut wie die Ankündigungsmelodien und Themenmischung. Da kommt Nachdenkliches neben Humoristischem, Historisches, Schockierendes und dann wieder Erfreuliches. Experten dürfen am Telefon mit ruhiger Stimme erzählen, was alles zu bedenken ist und dass man differenzieren muss. Radiohörer dürfen per Telefon dazukommen und mitteilen, was ihrer Ansicht nach zu tun ist, und woran es liegt, das nichts so richtig klappt. Und das sehe ich weitgehend auch so.
Viele Stunden später, am Abend dann, bekomme ich das Gleiche noch einmal serviert. Erst ein paar Börsen- und Baumarktinformationen, kurze Hinweise für alle mit Blähbauch und Schlafstörungen, und dann folgen gut zusammengefasst die Nachrichten. Mit bekannten Gesichtern und vertrauten Stimmen, Argumenten und Statements. Und in Sondersendungen, politischen Talk- und Diskussionsrunden die immer gleichen Fragen, die gleichen Antworten noch mal ausführlicher. Danach ein Film, eine Serie mit vertrauten Schauspielern, Problemen und Auflösungen. Zur späten Stunde dann die selben Personen aus den Vorabenden im Talk, angeblich privat, ehrlich und authentisch. So finde ich es auch äußerst vertraut und versöhnlich, wenn alle noch da sind. Ach wie schön, wie es überall tönt und klingt, es wird geplappert, gestritten, geliebt und gehasst. Und ich bin dabei, mittendrin. Irgendwie lässt es sich gut damit leben. Mein kleiner Urwald, mein Biotop, meine Blase, ich fühle mich aufgehoben.