Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Alte Liebe
WIE
Es geht heute mal wieder so richtig leicht, sagte er sich, während er die schnurgerade Straße am Deich entlang radelte. Vorsicht, das bedeutet auch Rückenwind und auf dem Rückweg dann Gegenwind, dachte er als nächstes.
Na gut, um so schneller würde er den kleinen Hafen erreichen. Diesen besonderen Ort an der Osterschelde, an dem es so ruhig war, den er seit über fünfundzwanzig Jahren kannte. Früher konnte man noch am hinteren Hafenufer parken und mit einem Picknick an der Kaimauer die Mittagszeit verbringen, während man auf die Boote, den alten Schlepper und die alten Häuser dahinter schaute. Kleine holländische Häuser mit dunklen Ziegelmauern, hohen, schlanken Fenstern mit vielen Sprossen und roten Giebeldächern.
Vor allem bei zwei von ihnen hatte er damals oft überlegt, wie es wäre hier zu wohnen, den Blick vom Fenster auf das Wasser gerichtet. Hier zu arbeiten, an einem großen Schreibtisch sitzend, zeichnend und den Blick immer wieder nach draußen wendend. Wenn dann die Auftragsarbeiten fertig sind, sie im großen Umschlag mit dem Fahrrad zur Post bringen und anschließend noch eine größere Runde auf dem Deich zurück nach Hause fahren. Die nächsten freien Tage genießen, Geschichten schreiben und illustrieren, die in kleinen Häusern und in kleinen Booten spielen. Vor der weiten Landschaft und dem hohen Himmel großflächige, eher zurückhaltende Farben, nur die roten und weißen Farbkleckse der Fensterläden und die frisch gestrichenen Boote setzen einige Akzente. Er liebte diesen Kontrast zwischen den feingliedrigen Dingen am Hafen, den Häusern und den weiten Flächen. Das alles liebte er, hatte er immer geliebt, entsprach irgendwie seiner inneren Verfassung.
Die Phantasie, wie es wäre, in einem dieser kleinen Häuser zu leben, war für ihn immer selbstverständlich gewesen. Es war sein Format, diese kleinen ebenerdigen Häuser, ein angrenzender Schuppen, der Garten mit den Obstbäumen dahinter, die Nähe zwischen Drinnen und Draußen, zwischen Luft und Weite.
Dieses Jahr spürte er das Verlangen, hier eines Tages mal zu wohnen, nicht mehr. Er betrachtete die Häuser von der gleichen Bank wie vor fünfundzwanzig Jahren und spürte, dass diese Idee mittlerweile ruhte. Die alte Liebe von damals, er konnte sich noch gut an sie erinnern, er konnte sie noch spüren, aber er wusste, sie lebt nicht mehr.
Schade, würden jetzt die meisten sagen. Nein, im Gegenteil, dachte er. Denn der Gedanke, nach Holland zu ziehen, war ihm immer etwas suspekt gewesen. Er war so gar nicht der Typ fürs Wegziehen ins Ausland. Es war halt so eine Vorstellung gewesen, vielleicht auch eine Liebe, eine große, eine heiße Liebe. Aber eigentlich wusste er, es war niemals die wahre Liebe gewesen. Das ist ein kleiner Unterschied. Heiße Liebe, ja, sie feuert die Phantasie an, sie belebt, sie erregt, sie trägt. Aber das Leben findet meistens doch woanders statt. Und das ist womöglich auch gut so.
Holländer sollen ja auf Deutsche, die sich die schönsten Häuschen am Ort unter den Nagel reißen wollen, gar nicht gut zu sprechen sein.
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Alte Liebe
WIE
Es geht heute mal wieder so richtig leicht, sagte er sich, während er die schnurgerade Straße am Deich entlang radelte. Vorsicht, das bedeutet auch Rückenwind und auf dem Rückweg dann Gegenwind, dachte er als nächstes.
Na gut, um so schneller würde er den kleinen Hafen erreichen. Diesen besonderen Ort an der Osterschelde, an dem es so ruhig war, den er seit über fünfundzwanzig Jahren kannte. Früher konnte man noch am hinteren Hafenufer parken und mit einem Picknick an der Kaimauer die Mittagszeit verbringen, während man auf die Boote, den alten Schlepper und die alten Häuser dahinter schaute. Kleine holländische Häuser mit dunklen Ziegelmauern, hohen, schlanken Fenstern mit vielen Sprossen und roten Giebeldächern.
Vor allem bei zwei von ihnen hatte er damals oft überlegt, wie es wäre hier zu wohnen, den Blick vom Fenster auf das Wasser gerichtet. Hier zu arbeiten, an einem großen Schreibtisch sitzend, zeichnend und den Blick immer wieder nach draußen wendend. Wenn dann die Auftragsarbeiten fertig sind, sie im großen Umschlag mit dem Fahrrad zur Post bringen und anschließend noch eine größere Runde auf dem Deich zurück nach Hause fahren. Die nächsten freien Tage genießen, Geschichten schreiben und illustrieren, die in kleinen Häusern und in kleinen Booten spielen. Vor der weiten Landschaft und dem hohen Himmel großflächige, eher zurückhaltende Farben, nur die roten und weißen Farbkleckse der Fensterläden und die frisch gestrichenen Boote setzen einige Akzente. Er liebte diesen Kontrast zwischen den feingliedrigen Dingen am Hafen, den Häusern und den weiten Flächen. Das alles liebte er, hatte er immer geliebt, entsprach irgendwie seiner inneren Verfassung.
Die Phantasie, wie es wäre, in einem dieser kleinen Häuser zu leben, war für ihn immer selbstverständlich gewesen. Es war sein Format, diese kleinen ebenerdigen Häuser, ein angrenzender Schuppen, der Garten mit den Obstbäumen dahinter, die Nähe zwischen Drinnen und Draußen, zwischen Luft und Weite.
Dieses Jahr spürte er das Verlangen, hier eines Tages mal zu wohnen, nicht mehr. Er betrachtete die Häuser von der gleichen Bank wie vor fünfundzwanzig Jahren und spürte, dass diese Idee mittlerweile ruhte. Die alte Liebe von damals, er konnte sich noch gut an sie erinnern, er konnte sie noch spüren, aber er wusste, sie lebt nicht mehr.
Schade, würden jetzt die meisten sagen. Nein, im Gegenteil, dachte er. Denn der Gedanke, nach Holland zu ziehen, war ihm immer etwas suspekt gewesen. Er war so gar nicht der Typ fürs Wegziehen ins Ausland. Es war halt so eine Vorstellung gewesen, vielleicht auch eine Liebe, eine große, eine heiße Liebe. Aber eigentlich wusste er, es war niemals die wahre Liebe gewesen. Das ist ein kleiner Unterschied. Heiße Liebe, ja, sie feuert die Phantasie an, sie belebt, sie erregt, sie trägt. Aber das Leben findet meistens doch woanders statt. Und das ist womöglich auch gut so.
Holländer sollen ja auf Deutsche, die sich die schönsten Häuschen am Ort unter den Nagel reißen wollen, gar nicht gut zu sprechen sein.